Prognosefreies Anlegen – Mit Disziplin kannst du 90% der Marktteilnehmer schlagen

Prognosefreies Anlegen (auch passives Anlegen genannt) ist für Privatanleger die aufwandärmste und günstigste Möglichkeit, vom weltweiten Wirtschaftswachstum zu profitieren. Diese Strategie ist der Gegenentwurf zum aktiven Anlegen, erfordert aber auch die meiste Disziplin zum richtigen Zeitpunkt nichts zu tun.

Nähert man sich der Börse rein mathematisch, dann gibt es Gesetzmäßigkeiten, die sich selbst mit der besten Anlagestrategie nicht ausschalten lassen.

Eine dieser Gesetzmäßigkeiten ist, dass die Gruppe aller Marktteilnehmer vor Kosten exakt die Marktrendite erwirtschaften – denn sie sind der Markt. Das bedeutet in der Praxis, dass es Marktteilnehmer gibt, die besser als der Markt abschneiden und im selben Maße gibt es Marktteilnehmer, die schlechter als der Markt abschneiden.

Aktive Anlagestrategien zielen darauf ab, zu der Gruppe zu gehören, die besser als der Markt abschneidet.

Mit dieser Erkenntnis würden diejenigen, die einfach den Durchschnitt anstreben – also exakt die Marktrendite – lediglich 50% der Marktteilnehmer schlagen.

Nun gibt es eine zweite Komponente, die Auswirkung auf die reale Rendite hat und die das theoretische Modell der Märkte nicht kennt: Die Kosten.

Nach Kosten lassen die Marktteilnehmer, die stur die Marktrendite anstreben 90% der Marktteilnehmer hinter sich. Dies könnte man als Marketinggeschrei der Anhänger der prognosefreien Anlagestrategie auslegen. Die sachlogischen Argumente und auch die empirischen Daten haben mich überzeugt und dazu gebracht, die prognosefreie Anlagestrategie seit Jahren erfolgreich umzusetzen.

Prognosefreies Anlegen und Disziplin führt dich langfristig automatisch in die Spitzengruppe der Anleger

Super, denkt sich der eine oder andere sicherlich. Wenn das so klar ist, warum macht das denn nicht jeder?

Nun, diese Vorgehensweise entspricht schlichtweg nicht unserer menschlichen Natur. Wir müssen eine Menge Disziplin an den Tag legen, um diese Strategie durchzuhalten.

Der Weg vom emotionalen zum rationalen Anleger ist lang und steinig

Wenn wir Menschen Entscheidungen treffen, dann tun wir das nicht immer rational. Es gibt kognitive Verzerrungen, die uns zu Entscheidungen verleiten, die nicht rational erscheinen. Mit der Verhaltensökonomie (Behavioral Finance) gibt es mittlerweile ein ganzes Wissenschaftsgebiet welches sich mit diesem Phänomen beschäftigt.

Der Nobelpreisträger Richard Thaler und Cass Sunstein unterscheiden in ihrem Buch „Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt“ zwischen Econs und Humans. Der Econ ist der rationale Homo Oeconomicus während der Human der emotionale gesteuerte Mensch ist, der aus Sicht der klassischen Ökonomie oft „irrational“ handelt.

Meine These: Selbst wenn einen das Konzept des prognosefreien Anlegens überzeugt, heißt das noch lange nicht, dass dieses Konzept auch erfolgreich durchgeführt werden kann. Es braucht echte Disziplin, denn unser „Affenhirn“ hat einige Überraschungen für uns parat.

Es ist wie beim Thema gesunde Lebensweise. Jeder weiß, dass es gut für uns ist, wenn wir uns gesund ernähren, regelmäßig Sport treiben und uns auch mal um uns kümmern. Allerdings haben wir nicht immer die Disziplin dies wirklich konsequent umzusetzen. Wir wägen ständig ab: Belohnung jetzt oder Ertrag später?

Ich beschäftige mich jetzt seit über 10 Jahren mit Börsen, Anlagestrategien und wirtschaftlichen Zusammenhängen. Ich habe gelernt, über die Zeit bei Anlageentscheidungen meine Emotionen besser in den Griff zu bekommen. Nicht, weil ich rationaler geworden bin, sondern weil ich immer besser verstanden habe, welchen Verzerrungen ich unterlegen bin und ich nur mit Disziplin diese Verzerrungen in den Griff bekommen kann. Disziplin, die sich langfristig auszahlt.

Die Grundannahmen des prognosefreien Anlegens

Wer prognosefrei anlegen möchte, der muss zunächst eine Prognose wagen. Denn eine Strategie hat immer auch Grundannahmen. Beim prognosefreien Anlegen sind das die folgenden Grundannahmen:

  • Die Weltwirtschaft wird auch in Zukunft langfristig weiter wachsen
  • Unser Wirtschaftssystem basierend auf freie Märkte und Privateigentum wird auch in Zukunft bestand haben

Diese Annahmen sind natürlich auch eine Prognose. Sofern aber diese Rahmenbedingungen gegeben sind, haben wir die Grundlage um in Folge prognosefrei zu handeln.

Es gibt sicherlich zahlreiche Argumente warum diese Grundannahmen falsch sein könnten. Da aber unser komplettes Wirtschaftssystem auf diesen Annahmen beruht und auch davon abhängig ist, nutzen wir sie als Grundlage.

Neben dieser sehr grundlegenden Annahmen treffen wir eine weitere Annahme: Aktien sind die langfristig ertragreichste Anlageklasse für den normalen Privatanleger.

Die folgende Tabelle zeigt die historischen Renditen der wichtigsten Anlageklassen von 1900 – 2018:

ZeitraumAktien globalWohn-immobilien globalLfr. Staats-anleihen globalGeldmarkt USAGoldRohstoffe
1900 – 20185,0%2,4%1,9%0,5%0,6%0,3%
Historische inflationsbereinigte Jahresrendite ausgewählter Anlageklassen für den Zeitraum 1900 bis 2018 vor Kosten und Steuern.
Quelle: Dr. Gerd Kommer (Gold als Investement)

Die Umsetzung – ein Weg mit vielen Hindernissen

So, nehmen wir an wir haben uns für die prognosefreie Anlagestrategie entschieden. Jetzt fehlt nur noch ein kleines Detail: Die Umsetzung. Damit meine ich nicht die konkrete Anlage, sondern vielmehr die Disziplin, die erforderlich ist, um wirklich prognosefrei zu bleiben.

Es liegt in unserer menschlichen Natur, fortwährend bewusst oder unbewusst Prognosen zu erstellen. Wir können gar nicht keine Meinung haben. Unsere Meinung wird durch unser Wissen und den verfügbaren Informationen und unser Umfeld gebildet. Fast jeder Anleger wird eine Meinung zu den folgenden Themen haben

  • Ist die Erholungsphase der Wirtschaft nach dem Coronacrash nachhaltig?
  • Sind die Aktienmärkte aktuell überbewertet?
  • Werden die Technologiewerte weiter steigen oder sind wir in einer Blase ähnlich wie um die Jahrtausendwende?
  • Wird die Geldschwemme der Zentralbanken die Inflation für Güter des täglichen Bedarfs steigern?
  • Wird die deutsche Automobilindustrie den Strukturwandel erfolgreich gestalten?
  • Was passiert nach den US-Wahlen mit den Aktienmärkten?

Der Trick bei der prognosefreien Anlagestrategie ist nun zwar eine Meinung zu haben, aber bezogen auf die eigene Geldanlage nicht darauf zu spekulieren. Das erfordert eine Menge Disziplin und es besteht immer die Gefahr, dass früher oder später doch wieder unsere Emotionen unser Handeln bestimmen.

Wie sagt man so schön: Bevor ich die Nadel im Heuhaufen suche, kaufe ich einfach den ganzen Heuhaufen.

Das prognosefreie Anlegen macht genau das. Wir kaufen den Heuhaufen. In unserem Fall die gesamte Weltwirtschaft. Wird China die USA wirtschaftliche überholen? Uns egal, wir sind dabei. Wird der nächste Crash durch ein Computervirus ausgelöst und die Technologiewerte schmieren gnadenlos ab? Uns egal, wir werden auch die Gewinner der nächsten Krise in unserem Portfolio haben – wer immer das auch sein wird.

Wir kaufen einfach stur den Heuhaufen. Wir haben zwar eine Meinung, suchen aber nicht gezielt nach den Nadeln. Denn alle Nadeln sind bereits in unserem Heuhaufen.

Den Durchschnitt anstreben und trotzdem im Windschatten von Warren Buffett durchs Ziel

Wer in der Vergangenheit auf den Heuhaufen setzte, hat im Schnitt 7% nominale und 5% inflationsbereinigte Rendite gemacht. Die Gruppe der Nadelsucher haben im Schnitt aufgrund der Kosten nominal 1,5 – 2% weniger Rendite gemacht.

Natürlich gibt es auch Profies wie z.B. Warren Buffett, dem es scheinbar gelingt die Nadeln zu finden. Aber selbst ein Warren Buffett hat in seinem Testament verfügt, dass seine Frau das Geld, das er vererbt, in einen breitgestreuten ETF stecken soll. Für Privatanleger, die sich nicht professionell mit der Börse beschäftigen, scheint der Heuhaufen langfristig daher die beste Lösung zu sein.

Doch von einer Tatsache werden auch die prognosefreien Anleger nicht verschont bleiben. Die Märkte schwanken und die nächste Krise und damit einhergehend ein Crash an den Aktienmärkten kommt bestimmt. Wer mit den Schwankungen nicht so gut umgehen kann, hat die Möglichkeit die Schwankungen zulasten der erwarteten Rendite zu reduzieren.

Das 100k-Konzept beschreibt wie du die prognosefreie Anlagestrategie selbstständig umsetzen kannst.

Beitragsbild von Bela Geletneky auf Pixabay

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Mein Name ist Andree de Boer. Seit mehr als 20 Jahren beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema Finanzen. In meinem Blog berichte ich über meine Erfahrungen.


Dabei ist mir über die Zeit aufgefallen, dass der Schlüssel zum Erfolg bei Geld und Finanzen nicht primär in irgendwelchen Finanzprodukten liegt.

Vielmehr sind es die eigene Einstellung und das Verhalten, die den Erfolg maßgeblich beeinflussen.

Deshalb konzentriere ich mich zunehmend auf das Thema Finanzcoaching, um Menschen in die Lage zu versetzen, produktunabhängig gute Finanzentscheidungen zu treffen.

Dazu habe ich eine professionelle Ausbildung zum FCM Finanzcoach absolviert.

Meine Dienstleistungen biete ich völlig produktunabhängig auf Honorarbasis an.

In meinem Blog berichte ich auch über eigene Erfahrungen mit konkreten Finanzprodukten. Dies stellt jedoch ausdrücklich keine individuelle Empfehlung dar.

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3 Gedanken zu „Prognosefreies Anlegen – Mit Disziplin kannst du 90% der Marktteilnehmer schlagen

  1. Sehr schöner Beitrag, vielen Dank dafür! Jeder, der von diesem ganzen Stockpicking und Dividendenquatsch wegkommt und den Weg des rationalen Anlegens einschlägt, ist ein Gewinn. Und erst recht, wenn damit noch andere überzeugt werden. Im Übrigen auch sehr schön geschrieben.

  2. Das prognosefreie passive Anlegen nutzt das sogenannte Informationsparadoxon also den Umstand daß ein Investor der in einen – möglichst marktbreiten – Index investiert auch ohne jede Informationen genau die Rendite dieses Index erzielt.

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