Die versunkenen Kosten oder die emotionale Rechtfertigung von Fehlentscheidungen

Im letzten Jahr sprach ich mit einem Bekannten über Finanzen. Wir tauschten uns locker über unsere Portfolios aus. Einige Werte entwickelten sich nicht so wie von ihm gewünscht. Ich fragte also was damit geschehen soll? Die Antwort ist exemplarisch und typisch für ein Großteil der Anleger: „Ich warte bis die Verluste aufgeholt werden und verkaufe sie dann“.

Dieses Verhalten ist irrationale, aber auch zutiefst menschlich. In der Verhaltensökonomie (Behavioral Finance) wird dieses Verhaltensmuster als Mentalen Buchführung (Mental Accounting) beschrieben. Ein Großteil der (unerfahrenen) Anleger zeigt dieses Verhaltensmuster. Dies erlebe ich immer wieder bei persönlichen Gesprächen und in diversen Finanzforen. Allein die Kenntnis eines solchen Verhaltensmusters hilft bereits bessere Entscheidungen zu treffen.

Kommen wir zu dem Beispiel oben zurück und versuchen hier eine rationale Entscheidung herbeizuführen. Stellen wir uns vor wir haben für 10.000 € Wertpapiere gekauft, die jetzt 20% des Wertes verloren haben. Der Buchwert dieser Wertpapiere liegt somit aktuell bei 8.000 €.

Der Plan meines Bekannten ist: „Ich warte bis die Verluste aufgeholt werden und verkaufe sie dann“. In diesen Satz stecken zwei Aussagen. Zunächst sollen Verluste vermieden werden. Hier spielt ein weiteres Verhaltensmuster aus der Verhaltensökonomie ein Rolle: Die Verlustaversion. Laut dieser Theorie bewerten Menschen Verluste deutlich höher als Chancen auf Gewinne. Mein Bekannter hat also Schwierigkeiten die Verluste durch einen Verkauf zu realisieren.

Gleichzeitig möchte er die Wertpapiere verkaufen. Er schätzt diese Wertpapiere damit nicht mehr als eine gute Anlage ein.

Jetzt stellen wir uns vor mein Bekannter hat die 8000 € als Bargeld auf sein Konto. Er steht vor der Frage wie er das Geld investiert. Er wird mit großer Sicherheit diese 8000 € nicht in die Wertpapiere investieren, die gerade 20% verloren haben. Er wird möglicherweise diese 8000 € in ein anderes, aus seiner Sicht lukrativeres, Wertpapier investieren.

Wir haben in  beiden Fällen dieselbe Ausgangssituation: Die Frage, wie die 8000 € sinnvoll investiert werden können. Durch die mentale Buchführung werden aber unterschiedliche Entscheidungen getroffen. Beim ersten Fall bewertet mein Bekannter die Situation aus Sicht seiner Anfangsinvestition. Er tut sich schwer damit die Verluste zu realisieren. Die Verluste sind für die Entscheidung aber irrelevant. Es kommt einzig und allein darauf an wie er die 8000 € zukünftig sinnvoll einsetzt. Die Verluste bzw. die versunkenen Kosten dürfen nicht in der rationalen Entscheidungsfindung eingehen.

Versunkene Kosten: Eine Investition sollte möglichst frei von Emotionen bewertet werden.
(Photo by João Ferreira on Unsplash)

Der erste Fall enthält zwei fiese Fallen. Es muss ein Verlust eingestanden werden. So etwas ist nicht gerade tauglich für ein selbstbewusstes Partygespräch. Gleichzeitig hat man ja schon eine Menge an Kosten „investiert“. Die müssen zunächst wieder rausgeholt werden. Diese beiden Fallen führen bei einem Großteil der Anleger zu einer irrationalen Entscheidung.

Konkret stellen wir uns zwei Wertpapiere mit einer erwarteten Rendite von A = 5% und B = 8% vor. Das Wertpapier A ist das Wertpapier, in das mein Bekannter heute investiert ist. Das Wertpapier B ist das Wertpapier, in das mein Bekannter investieren möchte, wenn die Verluste von Wertpapier A wieder reingeholt wurden. Nach ca. 4,5 Jahren ist das Wertpapier A wieder bei 10.000 Euro. Würde mein Bekannter sofort in Wertpapier B investieren, dann läge der erwartete Wert bei 11.380 €. Die Entscheidung meines Bekannten kostet ihm daher in diesem Beispiel 1.380 €.

Wann macht es generell Sinn einen Verlust zu realisieren?

Ich verfolge persönlich ja die passive und mit Kaufen & Halten (Buy & Hold) eine langfristig angelegte Anlagestrategie. Zwischenzeitliche Buchverluste gehören im chancenorientierten Anteil meines Portfolios daher dazu und werden mich nicht zum Handeln bewegen. Selbst in der aktuellen Coronakrise schlafe ich bezogen auf mein Portfolio sehr gut.

Ich plane bis zur Entnahmephase daher keine Verkäufe und bleib bei meiner Strategie des prognosefreien Weltportfolios.

Es gibt bei mir daher nur zwei Gründe warum ein Verkauf überhaupt in Betracht kommen könnte:

Grund 1: Die Konditionen meines aktuell eingesetzten Produktes (Vanguard FTSE All World) ändern sich bzgl. der Kosten oder der Abbildung meiner Strategie „Investition in die Weltwirtschaft“ substantiell zum Negativen.

Grund 2: Die Grundannahme meiner Strategie prognosefrei in die wachsende Weltwirtschaft zu investieren ändern sich durch eine veränderte Wirtschaftsordnung. Mit anderen Worten: Unternehmensbeteiligungen (also ‚Aktien) sind nicht mehr die Anlageklasse mit dem höchsten Erwartungswert.

Auch wenn beides nicht ausgeschlossen ist, schätze ich die Wahrscheinlichkeit aktuell doch als gering ein. Außerdem wüsste ich heute auch nicht welche Strategie ich als Alternative verfolgen würde, wenn z.B. Grund 2 eintritt.

Bei vielen Portfolios mit überteuerten Produkten oder einer unklaren Strategie kann ein Verkauf aus Gründen der Umstrukturierung und Neuaufstellung des Portfolios dennoch sehr viel Sinn machen. Der Verkauf von überteuerten Produkten sollte völlig unabhängig von der vergangenen Performance passieren.

Ich gehe sogar ein Schritt weiter und behaupte, dass selbst aktuell gut laufende aktive Produkte aufgrund der Kosten im Durchschnitt zukünftig eine schlechtere erwartete Rendite haben werden als die Investition in die gesamte Weltwirtschaft. Wer das nicht glaubt, dem empfehle ich einen Blick in die Fondsliste von Finanztest von vor 10 Jahren.

Hierzu ein Vergleich der Performance von 8 aus den Top 9 der Finanztest-Bestenliste auf Seite 85 vom April 2010. Der M & G Global Growth mit der ISIN GB0030938145 wurde mittlerweile aufgelöst:

https://www.fondsweb.com/de/vergleichen/tabelle/isins/IE00B3RBWM25,DE0008491051,LU0208289198,LU0097333701,LU0168341575

https://www.fondsweb.com/de/vergleichen/tabelle/isins/IE00B3RBWM25,FR0010148981,DE0009781906,DE0009757922,LU0076398568

Hier scheint (Stand April 2020) kein Fonds aus der damaligen Bestenliste dem Weltindex über die letzten 8 Jahre (Einführung des Vanguard FTSE All World am 22.5.2012) das Wasser reichen zu können.

Wie kann ich aus dieser Falle entfliehen?

Es hilft schon sich dieses Verhaltensmusters bewusst zu sein. Ich tappe auch gerne in diese Falle. Allein das Wissen darum lässt mich aber bessere Entscheidungen treffen.

Wenn auch du an das langfristige Wachstum der Weltwirtschaft glaubst und prognosefrei investieren möchtest, dann schau dir das 100k-Konzept an. Hier kommt man gar nicht in die Verlegenheit aktive Entscheidungen treffen zu müssen und kann daher seine irrationalen Verhaltensmuster im Zaum halten.

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