Die Steuererklärung auf dem Bierdeckel? Das ist vielleicht etwas ambitioniert. Es braucht aber nicht mehr als einen Bierdeckel, um das Grundprinzip unseres Einkommensteuersystems zu verstehen.
Im Grunde ist das Steuerrecht ganz einfach. Von den Einnahmen werden die abzugsfähigen Ausgaben abgezogen und das Ergebnis wird besteuert. Was unser Steuersystem so kompliziert macht, ist gar nicht dieses Grundprinzip, sondern viel mehr wie diese Einnahmen und Ausgaben steuerrechtlich behandelt werden.
In diesem Beitrag werde ich das Grundprinzip vorstellen. Einmal verstanden, können gezielt die richtigen Fragen gestellt werden, um die persönliche Steuersituation zu verbessern.
Das Grundprinzip gilt sowohl für Angestellte als auch für Selbständige und Vermieter.
Für Angestellte ist die Vorsorge verpflichtend und wird automatisch vom Bruttogehalt abgezogen
Fabian – Angestellter, Single und nicht in der Kirche – verdient Brutto 50.000 € im Jahr. Von diesem Brutto überweist der Arbeitgeber im Auftrag von Papa Staat einen Teil an die Sozialversicherungen.
Art | Fabian (Arbeitnehmer) | Anteil AN | Fabians Arbeitgeber | Anteil AG |
Gehalt | 50.000 € | -50.000 € | ||
Rentenversicherung | -4.650 € | 9,30% | -4.650 € | 9,30% |
Arbeitslosenversicherung | -600 € | 1,20% | -600 € | 1,20% |
Krankenversicherung | -3.650 € | 7,30% | -3.600 € | 7,30% |
Pflegeversicherung | -887,50 € | 1,78% | -762 € | 1,53% |
Summe Kosten | -9787,50 € | 19,58% | -9662,50 € | 19,33% |
Gesamt | 40.212,50 € | ~80% | -59.662,50 | ~119% |
Wie wir sehen, bezahlt der Arbeitgeber von Fabian in Summe fast 60.000 €. Bei Fabian bleibt vor Steuern ca. 40.000 € übrig. Die Differenz von rund 20.000 € fließt in die Sozialkassen.
Bereits hier ist die Rechnung abhängig von der Lebenssituation und Höhe des Gehalts. Wer über die Beitragsbemessungsgrenzen verdient, wird prozentual tendenziell weniger in die Sozialkassen einzahlen. Kinderlose zahlen etwas mehr Pflegeversicherungsbeitrag als Eltern mit Kindern. Wer privat krankenversichert ist, wird heute weniger Beiträge zahlen.
Grob kann aber die 20% Regel angewendet werden. 20% deines Bruttogehalts geht ab für die Sozialkassen. Dein Arbeitgeber legt noch mal etwa 20% drauf.
Die Berechnung der Einkommensteuer: Vom Grundprinzip gar nicht so kompliziert
Die Berechnung der Einkommensteuer ist für Angestellte, Selbständige und Vermieter identisch. Interessant wird es aber auf welchen Betrag die Steuer erhoben wird.
Spätestens hier sollte der Angestellte anfangen wie ein Unternehmer zu denken. Hier gilt die einfache Regel, dass Steuern nur auf den Gewinn erhoben werden. Gewinn bedeutet für uns als Privatperson das Einkommen abzüglich der abzugsfähigen Kosten.
Tja, und hier wird’s dann wirklich spannend. „Abzugsfähige Kosten“ sind leicht ausgeschrieben, im Steuerrecht beschäftigt das aber eine ganze Branche von Steuerexperten.
Es bedarf aber kein Studium oder das stundenlange Lesen von Steuerliteratur. Es braucht im ersten Schritt nur das Verständnis des Grundprinzips, um mögliche individuelle Optimierungen bereits ohne Steuerexperten zu identifizieren.
Schauen wir uns das konkret anhand von Fabian an. Das Prinzip gilt aber auch für Selbständige und Vermieter.
Die Berechnung der Einkommensteuer passiert nicht auf das Bruttogehalt von 50.000 €, sondern auf den Betrag, der nach Abzug der Kosten ermittelt wurde.
Art | Betrag | Beschreibung |
Bruttoeinkommen | 50.000 € | |
Werbungskosten | -1.000 € | Pauschale für Angestellte |
Beiträge zur Rentenversicherung | -3.720 € | 90% von den Einzahlungen (AN und AG-Anteil) in die RV abzüglich dem AG-Anteil |
Krankenversicherungsbeitrag | -3.504 € | Arbeitnehmeranteil von den Einzahlungen abzüglich 4% |
Pflegeversicherungsbeitrag | -888 € | Voll abzugsfähig, ohne Wenn und Aber |
Sonderausgabenpauschale | -36 € | |
Gesamt | 40.852 € | zu versteuerndes Einkommen |
Was unter welchen Umständen absetzbar ist, dass beschäftigt zahllose Experten und hat auch mir das ein oder andere Mal einen Knoten im Gehirn beschert.
Eins muss man unserer Bürokratie lassen. Kreativ ist sie. Am Ende erkennt man aber schon eine gewisse Logik und den Versuch ein gewisses Maß an Gerechtigkeit sicherzustellen.
Bevor wir dazu kommen was du zusätzlich absetzen kannst, lass uns kurz auf die Berechnung der Einkommensteuer eingehen.
Die Formel ist im Einkommensteuergesetzt $32a Einkommensteuertarif beschrieben. Eine etwas verständlichere Beschreibung findet sich hier.
Ich habe die Formel mal in Excel gegossen:
=RUNDEN(-WENN(A1>=270501;45%*A1-17078,74;WENN(A1>=57052;42%*A1-8963,74;WENN(A1>14533;(212,02*((A1-14532)/10000)+2397)*((A1-14532)/10000)+972,79;WENN(A1>=9409;(972,87*((A1-9408)/10000)+1400)*((A1-9408)/10000);0))));0)
Formel in eine beliebige Zelle (ungleich A1) kopieren. Das zu versteuernde Einkommen in die Zelle A1 eintragen.
Ich denke sie ist selbsterklärend. 🙂
Wenn wir jetzt unser zu versteuerndes Einkommen von 40.852 € durch die Formel jagen, dann spuckt die Formel den Betrag von 8.750 € aus. Fabian zahlt also insgesamt 8.750 € Einkommensteuer. Den Soli dürfen wir nicht vergessen. Er beträgt noch einmal 5,5% von der Steuer, also 481,25 €.
Jetzt zählen wir alles zusammen und ermitteln, was Fabian nach Steuern netto zur Verfügung steht:
Art | Fabian (Arbeitnehmer) | Bemerkung |
Bruttoeinkommen | 50.000,00 € | |
Rentenversicherung | -4.650,00 € | basiert auf Brutto |
Arbeitslosenversicherung | -600,00 € | basiert auf Brutto |
Krankenversicherung | -3.650,00 € | basiert auf Brutto |
Pflegeversicherung | -887,50 € | basiert auf Brutto |
Einkommensteuer | -8.750 € | basiert auf Brutto – abzugsfähige Kosten |
Soli | -481,25 € | basiert auf die errechnete Steuer |
Gesamt (Netto) | 30.981,25 | basiert auf deine steuerliche Optimierung |
Voila, Fabian hat 50.000 € brutto verdient und hat nach Steuern und Abzügen knapp 31.000 € zur Verfügung.
Einkommensteuer optimieren: Abzugsfähige Kosten identifizieren
Wir kommen noch einmal auf die Tabelle mit den abzugsfähigen Kosten zurück:
Art | Betrag |
Bruttoeinkommen | 50.000 € |
Werbungskosten | -1.000 € |
Beiträge zur Rentenversicherung | -3.720 € |
Krankenversicherungsbeitrag | -3.504 € |
Pflegeversicherungsbeitrag | -888 € |
Sonderausgabenpauschale | -36 € |
Weitere Kosten | ??? € |
Gesamt | 40.852 € |
Als Angestellter kann Fabian die grauen Zeilen absetzen. Jedes gute Steuerprogramm wird dies automatisch tun. Auch Selbständige können ihre Beiträge zur Krankenversicherung und zu einer Basisrente (wie z.B. Rürup) absetzen.
Doch viele haben weitere Kosten, die ihre Steuerlast weiter senken werden und damit bares Geld vom Finanzamt zurückerhalten.
Hier eine Aufstellung der üblichen weiteren abzugsfähigen Kosten. Es gibt im Netz und bei Verbraucherorganisationen unzählige Infos darüber (Beispiel: Stiftung Warentest). Daher werde ich hier nur einige aufführen.
- Zusätzliche Beiträge zur Basisrente (z.B. Rürup)
- Beiträge für die Riester-Rente
- Außergewöhnliche Belastungen (z.B. hohe Krankheitskosten)
- Zusätzliche Werbungskosten, wie z.B. Fahrtkosten zur Arbeit, berufliche Weiterbildungen, berufliche Literatur, etc. (wenn die Pauschale von 1.000 € überstiegen wird)
- Haushaltsnahe Dienstleistungen (werden oft bei der Vermieterabrechnung explizit ausgewiesen)
- Handwerkerrechnungen (hier nur der Lohnanteil)
- Home-Office Pauschale im Zuge von Corona
- Für Selbständige: Alle Betriebsausgaben
- Für Vermieter: Alle Kosten für die vermietete Immobilie
- …
Wenn man grob verstanden hat, welche Art von Kosten absetzbar ist, kann man schon im groben eine ganz gute Indikation von Steueroptimierungen erhalten.
Beispiel: Fabians Kumpel Sebastian ist selbstständig. Er spart für seine Altersvorsorge aus dem versteuerten Einkommen einen ETF an. Er war vorher ein paar Jahre angestellt und möchte seinen Anspruch auf die gesetzliche Rente erhalten. Dafür zahlt er freiwillig 10.000 € in die gesetzliche Rentenversicherung. Er kann 2020 90% davon steuerlich geltend machen. Er realisiert damit eine Steuereinsparung von ca. 3.500 €. Effektiv zahlt er damit also nur 6.500 € in die Rentenversicherung. Der Rest übernimmt das Finanzamt. Im Gegenzug versteuert er seine Rentenbeiträge im Ruhestand.
Ok, das Grundprinzip ist verstanden. Was kann ich jetzt tun?
Wenn du bisher keine Steuererklärung abgeben hast, dann kannst du eventuell schon mit deinen jetzigen beruflichen Ausgaben oder Vorsorgeausgaben Steuern zurückerhalten. Wenn du prüfen möchtest, ob eine Abgabe sich lohnt, kannst du eines der Steuerprogramme nutzen.
Ich nutze Wiso Steuer-Web. Der Vorteil ist, dass du einen Steuerfall kostenlos anlegen kannst. Du kannst also prüfen, ob sich eine Steuererklärung für dich überhaupt lohnt und dann bei Bedarf bequem über die Software abgeben. Erst das Abgeben kostet dann eine Gebühr.
Du kannst mit der Software auch im Vorfeld Szenarien durchspielen und schauen wie sich das auf deine Steuerlast auswirkt.
Für einfache Steuerfälle und etwas Übung kostet das Ausfüllen im Schnitt nicht mehr als 2 Stunden. Mit dem automatischen Belegabruf und der Übernahme von Vorjahresdaten geht es oft noch schneller. Laut Anbieter holen die Steuerzahler im Schnitt mehr als 1.600 € vom Finanzamt zurück.
Machst du bereits selbst deine Steuererklärung oder lässt das von einem Steuerberater oder Lohnsteuerverein machen, dann kannst du eventuell gezielter Fragen stellen und Unterlagen einreichen. Alle Ausgaben, die einen beruflichen Zweck haben, der beruflichen Weiterbildung oder der Vorsorge dienen, haben gute Chancen absetzbar zu sein. Wie im Bespiel mit Fabian zahlst du bei absetzbaren Investitionen nur den um die Steuer reduzierten Anteil. Beim Rest beteiligt sich das Finanzamt implizit durch die Steuerersparnis. Die Steuersoftware oder der Steuerberater hilft dann im spezifischen Fall.
Fazit
Es geht nicht darum, mit aller Gewalt Steuern zu sparen. Denn selbst wenn du Steuern sparen kannst, hast du einen Großteil der Kosten deiner Investition selbst zu tragen – das wird oft vergessen.
Bei sinnvollen Investitionen wie der Vorsorge oder persönlichen Weiterbildung das Finanzamt zu beteiligen, kann aber in vielen Fällen Sinn machen.
Nutze eins der Steuerprogramme, um Szenarien durchzuspielen. Lass deinen Steuerberater nicht nur den „Papierkram“ machen, sondern lass dich in Sachen Steuern beraten. Identifiziere für dich Ausgaben, die im beruflichen Bereich, in der Weiterbildung oder in der Vorsorge liegen und stelle die richtigen Fragen. Damit optimierst du deine Steuern und beteiligst das Finanzamt an deinen Investitionen.
Und wenn du nun denkst, dass dem Staat dadurch Einnahmen entgehen, dann kann ich dich beruhigen. Von vielen Investitionen, die du steuerlich absetzen kannst, wird auch der Staat langfristig etwas haben.
Beitragsbild von Alexas_Fotos auf Pixabay
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Mein Beitrag zum Thema geförderte Vorsorge: Das Duell: ETF, Riester, Rürup, gesetzl. Rente, private Rente und betriebliche Rente im Vergleich
Mein Name ist Andree de Boer. Seit mehr als 20 Jahren beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema Finanzen. In meinem Blog berichte ich über meine Erfahrungen.
Dabei ist mir über die Zeit aufgefallen, dass der Schlüssel zum Erfolg bei Geld und Finanzen nicht primär in irgendwelchen Finanzprodukten liegt.
Vielmehr sind es die eigene Einstellung und das Verhalten, die den Erfolg maßgeblich beeinflussen.
Deshalb konzentriere ich mich zunehmend auf das Thema Finanzcoaching, um Menschen in die Lage zu versetzen, produktunabhängig gute Finanzentscheidungen zu treffen.
Dazu habe ich eine professionelle Ausbildung zum FCM Finanzcoach absolviert.
Meine Dienstleistungen biete ich völlig produktunabhängig auf Honorarbasis an.
In meinem Blog berichte ich auch über eigene Erfahrungen mit konkreten Finanzprodukten. Dies stellt jedoch ausdrücklich keine individuelle Empfehlung dar.
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