Präsenzveranstaltungen unter Corona-Bedingungen sind dieser Tage nicht leicht. Trotz der widrigen Umstände lud Albert Warnecke bekannt unter dem Finanzwesir am Samstag zu seinem Fincamp 2020 ein. Glücklich außerhalb von Zoom mal wieder „Mask-Face to Mask-Face“ zu kommunizieren, setzte ich mich am Freitag von Hamburg aus in den Zug Richtung Aschheim bei München. Aschheim? Da war doch was. Richtig, gleich gegenüber vom Veranstaltungsort ist der Hauptsitz von Wirecard. Ein schlechtes Omen? Mitnichten, eher ein Symbol für die nötige Demut bei Geldanlagen.
Fünf Referenten präsentierten ihre Anlageklasse. Vermittelt wurden Erfahrung und Wissen, keine Produkte. Alle Referenten haben „Skin in the game“. Sie sind also mit eigenem Geld in ihrer jeweiligen Anlageklasse investiert.
Die Anlageklasse ETFs „Beste Rendite pro Zeiteinheit“
Eigentlich ist ja alles ganz einfach. Einen Welt-ETF besparen, den risikoarmen Anteil für die persönliche Risikotoleranz bestimmen, sein Leben leben und frei nach dem Finanzwesir „nicht arm sterben“.
Jeder kann dies in Eigenregie umsetzen. Das Wissen dazu ist leicht aufbereitet im Blog vom Finanzwesir, etwas wissenschaftlicher und komplexer bei Gerd Kommer und verbraucherfreundlich mit dem Pantoffel-Portfolio vom Finanztest verfügbar. Auch mein 100k-Konzept basiert auf diese Grundüberlegungen.
Alles in allem das gleiche Gericht, vielleicht mit individuellen Geschmacksnoten, die den berühmten Schnaps mehr im Ruhestand bedeuten könnten.
Aber wenn das alles so einfach ist, warum sind trotzdem so viele Fragen offen? Nun, für den rational denkenden und handelnden Homo Oeconomicus sind diese Konzepte perfekt. Der Homo Sociologicus hingegen denkt und handelt emotional.
Dies wurde einmal mehr in dem Workshop mit Albert zum Thema ETFs deutlich. Wenn alles so einfach ist, warum gibt es dann tausende ETFs? Bin ich mit nur einem ETF nicht zu wenig diversifiziert? Welchen der zig Welt-ETFs nehme ich denn nun? Wie kann ich meine eigenen Wetten auf Branchen, Themen, etc. am besten abbilden. Ausschütter oder Wiederanleger? Das Thema Steuern ist dann auch noch zu individuell, um allgemeingültige Aussagen zu treffen.
Spätesten hier wird klar, warum es nach wie vor ein Format wie das Fincamp geben muss, auch wenn schon alles zig Mal geschrieben wurde. Die Menschen haben Fragen. Sehr grundsätzliche Fragen und bei dieser Art von Austausch erhoffen sie sich Antworten auf diese Fragen.
Geldanlage ist ein wenig wie Schachspielen. Die Regeln sind schnell verstanden, doch spielen kann man es deswegen noch lange nicht.
Die Anlageklasse Immobilien
Katrin Werling vertritt die Anlageklasse Immobilien. Diese Anlageklasse ist im wahrsten Sinne des Wortes handfest und greifbar. Katrin stellt sehr gut die Vor- und Nachteile der Anlageklasse dar. Bei dieser Anlageklasse treffen die Spezies Homo Oeconomicus und Homo Socioligicus häufig sehr emotional aufeinander. Für den Homo Oeconomicus, der die Immobilie als reine Geldanlage sieht, mögen die Anschaffungsnebenkosten und der Betrieb einer Immobilie für den Privatanleger zu teuer sein. Für den Homo Sociologicus als z.B. Eigennutzer sind aber ganz andere Dinge wichtig. Katrin stellt die unbestreitbaren Vorzüge der Fremdfinanzierung und der Steuervorteile von Immobilien dar, sagt aber auch deutlich, dass der Gewinn im Einkauf liegt.
Am Workshop habe ich dann nicht teilgenommen, da ich aus drei von fünf Themen auswählen musste. Ich habe selbst bereits Erfahrungen mit einer vermieteten Immobilie und habe für mich bereits meine Fragen zum Thema beantwortet. Dazu wird es sicherlich noch mal einen separaten Beitrag geben.
Die Anlageklasse Aktien
Daniel Korth, auch bekannt unter der Marke Finanzrocker, steht und lebt für die Anlageklasse Aktien. Gleich zu Beginn stellt er klar, dass seine Strategie nur für Anleger geeignet ist, die Lust an der Unternehmensanalyse haben. Damit unterstreicht er auch wofür er nicht steht: Das Zocken mit Aktien. Vielleicht betont er das auch noch mal, um den kleinen Verschreiber „Finanzocker“ auf den Präsentationsfolien zu entkräften.
Er stellt ehrlich und offen seine Aufs und Abs in seinem persönlichen Depot vor. Man merkt, dass er zu seinem Depot eine höhere emotionale Bindung hat als z.B. ein ETF-Sparer, der stumpf den Markt kauft. Er macht aber auch deutlich, dass diese Emotionen das ein oder andere Mal dem Bauch den Vorzug gegenüber dem Kopf ließen.
In seinem Workshop erklärte er anhand der Tools Portfolio Performance und Aktienfinder wie er seine Auswahl trifft und worauf er dabei achtet. Das Dilemma des aktiven Stock-Pickings wurde dann auch in der Diskussion noch mal deutlich. Ein Teilnehmer fragte, wie man die Unternehmen identifizieren kann, die in ein paar Jahren zu den Top 10 gehören. Daniel machte daraufhin deutlich, dass auch beim aktiven Handeln nicht nur Gewinner im Depot sein werden und dass es eben nicht möglich ist im Vorhinein nur die zukünftigen Gewinner zu identifizieren.
Bei meiner Frage, was ihn mehr antreibt: Der Spaß, unterbewertete Unternehmen durch seine Analyse zu identifizieren oder die Aussicht auf eine Überrendite gegenüber dem Markt, legte er sich auf das Erstere fest.
Hochdividenden für ein regelmäßiges Einkommen
Luis Pazos positioniert sich als Einkommensinvestor. Sein Ziel sind Geldanlagen, die ihm ein laufendes Einkommen bescheren. Er setzt das unter anderem mit Hochdividendentitel um, also Unternehmen, die einen großen Teil ihres Gewinns an den Anleger ausschütten.
Man merkt, dass er sich lange mit dem Thema beschäftigt hat und lebt was er erzählt. Leider konnte ich aufgrund der vorzeitigen Auswahl sein Workshop nicht besuchen.
Persönlich konnte ich bereits vor der Finanzkrise Erfahrungen mit Dividendentitel sammeln, habe aber aufgrund meiner Bequemlichkeit und der persönlichen Steueroptimierung von Ausschüttern Abstand genommen. Daher ist für mich das Thema nicht so relevant.
Wer aber ein regelmäßiges Einkommen haben möchte, der findet auf seinem Blog sicherlich eine Menge Anregungen.
Die Anlageklasse Alpha-Fonds oder die Quadratur des Kreises
Als Anleger gilt der Grundsatz: Mehr Rendite = höheres Risiko (andersherum gilt dies übrigens nicht). Norbert Mittwollen gibt sich nicht damit zufrieden und möchte diesen Grundsatz mit Alpha-Fonds entgegenwirken.
Ein mehr oder weniger berühmter Vertreter dieser Fondskategorie ist der Medallion Fonds. Dieser Fonds hat es geschafft über einen Zeitraum von 30 Jahren eine Performance von knapp 40% pro Jahr hinzulegen und rentierte dabei nur in einem einzigen Jahr negativ. Einziges Manko: Der Fonds ist nicht öffentlich, daher können die Lieschen Müllers und John Does dieser Welt leider nicht investieren.
Nun wird das Lager der passiven Anleger ja nicht müde die Theorie der effizienten Märkte als Grundlage ihrer Anlagestrategie zu propagieren.
Jetzt macht so ein Fonds, dessen Gebühren auch noch recht hoch sind, eine kontinuierliche Mehrrendite? Wie macht der das?
Dieser Fonds beschäftigt eine Schar von Mathematikern und Physikern. Man kann nur mutmaßen wie sie das hinbekommen.
Eine Mutmaßung: Auch wenn die Aktienmärkte langfristig effizient sind, werden sie kurzfristig durch Irrationalitäten und regulatorischen Automatismen beeinflusst. Norbert zeigt das an einem Beispiel von Glühwürmchen, die plötzlich alle im Gleichtakt leuchten und damit das Herdenverhalten symbolisieren.
Die Alpha-Fonds versuchen z.B. über Trendfolgen dieses Verhalten zu identifizieren und entsprechend Kapital daraus zu schlagen.
Norberts Ambition ist, sofern ich das richtig verstanden habe, nicht die Rendite des Medaillon Fonds zu erwirtschaften, sondern das Depot schwankungsärmer zu gestalten. So zeigte ein Beispiel mit einer Aufteilung 50% Welt-ETF und 50% Alpha-Fonds eine deutlich geringere Schwankung bei etwa gleichbleibender Rendite.
Ich persönlich finde die Thematik sehr spannend, da sie für mich neu ist.
Fazit
Mein persönliches Fazit für das Fincamp 2020 fällt positiv aus. Die Referenten haben ihr Anliegen authentisch herübergebracht und die Veranstalter haben das Hygiene-Konzept vorbildlich umgesetzt.
Die Gespräche in den Pausen und die Diskussionen in den Workshops waren sehr wertvoll. Es gab für mich persönlich inhaltlich – abgesehen von den Alpha-Fonds – keine neuen Erkenntnisse. Das war aber auch nicht meine Erwartung. Viel interessanter für mich waren die individuellen Fragestellungen der Teilnehmer und das Verständnis warum wir uns als Homo Sociologicus vergleichsweise schwer damit tun ins Handeln zu kommen.
Weitere Informationen zum Thema
Referenten
ETFs: Albert Warnecke – Der Finanzwesir
Immobilien: Katrin Werling – Financial Independence Rocks
Aktien: Daniel Korth – Der Finanzrocker
Hochdividenden: Luis Pazos – Nur Bares ist Wahres
Alpha Fonds: Norbert Mittwollen
Mein Name ist Andree de Boer. Seit mehr als 20 Jahren beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema Finanzen. In meinem Blog berichte ich über meine Erfahrungen.
Dabei ist mir über die Zeit aufgefallen, dass der Schlüssel zum Erfolg bei Geld und Finanzen nicht primär in irgendwelchen Finanzprodukten liegt.
Vielmehr sind es die eigene Einstellung und das Verhalten, die den Erfolg maßgeblich beeinflussen.
Deshalb konzentriere ich mich zunehmend auf das Thema Finanzcoaching, um Menschen in die Lage zu versetzen, produktunabhängig gute Finanzentscheidungen zu treffen.
Dazu habe ich eine professionelle Ausbildung zum FCM Finanzcoach absolviert.
Meine Dienstleistungen biete ich völlig produktunabhängig auf Honorarbasis an.
In meinem Blog berichte ich auch über eigene Erfahrungen mit konkreten Finanzprodukten. Dies stellt jedoch ausdrücklich keine individuelle Empfehlung dar.
Nimm mit mir Kontakt auf oder buche online ein kostenloses Erstgespräch. Wir finden heraus, wie ich Dir helfen kann.
2 Gedanken zu „Das FinCamp 2020 vom Finanzwesir: Homo Oeconomicus trifft Homo Sociologicus“
Danke, Andrée fuer die schoene Zusammenfassung!
Das mit Norberts (aka Smartie, Smartinvestor) Alpha-Fonds kannst du seitenweise zB hier nachlesen (div. Beitraege beim finanzwesir oder freiheitsmaschine):
Einfach googeln „Smartie“ oder „Smartinvestor“ und Finanzwesir oder Freiheitsmaschine
LG
Joerg
Moin Jörg, danke für den Tipp!