Vor ein paar Tagen war ich bei einer Diskussion im Alster Business Club zum Thema Kinder, Kita und Karriere dabei. Der Grundtenor der Diskussion drehte sich um die Frage, welchen Stellenwert Kinder in Deutschland eigentlich haben.
Im Zuge der Diskussion gab es auch den Appell an die Männer sich zu dem Thema zu positionieren.
Ich habe die Diskussion zum Anlass genommen, um schon einen länger geplanten Artikel über das Thema finanzielle Gerechtigkeit bei der Kindererziehung zu schreiben und damit meinen Anteil zur Diskussion beizutragen.
Finanzielle Gerechtigkeit bei der Kindererziehung: Eine Modellrechnung
Um das Thema konkreter greifen zu können, habe ich ein Szenario exemplarisch durchgerechnet.
In diesem Szenario gehen wir von einem verheirateten Paar aus. Beide sind 26 Jahre alt, ihr Bruttomonatseinkommen ist mit 3.600 € identisch. Mit 27 Jahren bekommt das Paar ihr erstes Kind, mit 31 Jahren das zweite. Ein Partner nimmt zweimal 12 Monate Elternzeit und arbeitet ab dem 13. Monat nach der Geburt zu 75% in Teilzeit. Mit der Einschulung des zweiten Kindes im Alter von 37 Jahren geht der zweite Partner auch wieder einer Vollzeitbeschäftigung nach.
Wir gehen in diesem Szenario für beide Partner von einer jährlichen Gehaltserhöhung von 2% aus.
Mit 67 haben die beiden folgenden Gesamtverdienst und Rentenpunkte angesammelt:
Partner 1 | Partner 2 (Kindererziehung) | |
Gesamtverdienst (brutto) | 2,65 Mio € | 2,29 Mio € |
Rentenpunkte | 42 | 37,3 |
Rente (nach heutiger Kaufkraft) | 1.436 € | 1.276 € |
Der Partner, der die gesamte Zeit Vollzeit arbeitet, erwirtschaftet in diesem Szenario 356.000 € (16%) mehr sozialversicherungspflichtiges Bruttoeinkommen als der Partner, der für die Kindererziehung pausiert und in Teilzeit arbeitet. Partner 1 hat außerdem einen mit 160 € höheren Rentenanspruch im Ruhestand.
Obwohl Partner 2 für beide Elternzeiten jeweils 1 Rentenpunkt gutgeschrieben bekommt, werden während der Teilzeit nur anteilig Rentenpunkte gesammelt. Auch nach der Rückkehr in die Vollzeit wird durch die Pause und der Teilzeit das Einkommensniveau insgesamt geringer sein und damit über die Jahre weniger Rentenpunkte gesammelt.
Verdient der zweite Partner schon vorher deutlich weniger oder konzentriert sich komplett auf die Kindererziehung, dann besteht für diesen Partner sogar die Gefahr der Altersarmut.
Was passiert bei getrennten Budgets oder einer Scheidung?
Solange alle Einnahmen und alle Ausgaben der Familie über ein Familienbudget laufen und die Ehe bis ans Lebensende hält, sind die Unterschiede im obigen Szenario irrelevant.
Es gibt neben dem ganzheitlichen Modell des Familienbudgets aber noch weitere Modelle. So ist ein weiteres mögliches Modell, dass beide Partner ihr Einkommen auf ein persönliches Konto auszahlen lassen. Jeder zahlt anteilig auf ein Familienkonto, wovon alle gemeinsamen Ausgaben für Miete, Nebenkosten, Kinder, etc. abgehen. Spätestens hier stellt sich individuell die Frage, wie die Anteile ermittelt werden und ob die unbezahlte Arbeit der Kindererziehung berücksichtigt wird.
Der Worst Case in vielerlei Hinsicht ist die Scheidung. Spätestens bei der Scheidung besteht bei einem Partner (und statistisch sind das vor allem Frauen) die Gefahr in finanzielle Engpässe zu kommen.
Wird kein Ehevertrag geschlossen, dann gilt die Zugewinngemeinschaft. Diese Regelung sieht vor, dass das während der Ehe hinzugewonnene Vermögen zu gleichen Teilen auf beide Partner aufgeteilt wird.
Jetzt kommt es leider nicht selten vor, dass das gesamte laufende Einkommen konsumiert und gar kein Vermögen aufgebaut wird. Verdienen die beiden Partner stark unterschiedlich, dann wird im Falle einer Scheidung der Lebensstandard des Geringverdieners deutlich sinken. Wenn wir davon ausgehen, dass der Geringverdiener tendenziell auch die Kindererziehung übernommen hat, dann wird die Kindererziehung in diesem Modell nicht honoriert, sondern führt eher dazu, dass das Einkommensniveau darunter leidet.
Auch wenn bei einer Scheidung die während der gemeinsamen Ehe gesammelten Rentenpunkte von beiden Partnern addiert und dann zur Hälfte aufgeteilt werden (Versorgungsausgleich), wird die Rente wegen dem geringeren Einkommensniveau ebenfalls geringer ausfallen.
Mehr Gerechtigkeit durch die Partnerrente
Wie kann also die unbezahlte Kindererziehung honoriert werden, um bei getrenntem Budget oder im Falle einer Scheidung etwas mehr Gerechtigkeit herzustellen?
Die beste Möglichkeit ist gemeinsames Vermögen aufzubauen. Viele denken dabei möglicherweise an eine Immobilie. Bei einer Scheidung ist die Immobilie (und mögliche Schulden) aber eher ein Klotz am Bein als ein leicht aufteilbares Vermögen. Ein ETF-Depot wäre hier deutlich flexibler.
Eine andere Möglichkeit wäre von Anfang an in einen separaten Topf für den erziehenden Partner einzuzahlen. Nennen wir diesen Topf „Partnerrente“. Der Zweck der Partnerrente ist, im Falle einer Scheidung, die unbezahlte Kindererziehung zu honorieren und das durch die Erziehung entgangene Einkommen und den Einkommenszuwachs zu kompensieren. Hält die Ehe kann die Partnerrente gemeinsam genutzt werden.
Wie hoch die separate Partnerrente ausfällt, ist natürlich individuell zu bestimmen. Zählt man den Verdienstausfall und den geringeren Rentenanspruch zusammen, dann summiert sich das bis zum 67. Lebensjahr im obigen Szenario auf etwa 345.000 €*. Auch hier würde sich ein ETF-Depot anbieten. Das Depot kann entsprechend der eigenen Risikotoleranz zusammengestellt werden. Ein Beispiel zeigt das 100k-Konzept.
* Dieser Betrag ist etwas geringer als die Differenz des Bruttoeinkommens, da die zwei Jahre Elterngeld dazugerechnet werden.
Auch durch die ungeliebte Riesterrente können für den erziehenden Partner zusätzliche Ansprüche erworben werden. Die Kinderzulagen von 300 € pro Kind (ab 2008) werden standardmäßig der Mutter gutgeschrieben. Dies kann auf Antrag auch geändert werden. Sollten beide Ehepartner den gleichen Betrag in die Riesterrente einzahlen, bekommt die Mutter im Szenario oben jährlich zusätzlich 600 € gutgeschrieben.
Aber Achtung: Riester ist leider sehr kompliziert und ein heißes Eisen. Hier sollte man sich gut informieren oder unabhängig beraten lassen, ansonsten bekommt man gerne mal ein völlig überteuertes Produkt angeboten.
Fazit
Wer aufgrund der Kindererziehung vom Einkommen seines Partners abhängig ist und in der Zeit während der Ehe kein gemeinsames Vermögen aufbaut, der wird bei einer Scheidung möglicherweise in finanzielle Probleme laufen. Es lohnt sich frühzeitig mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Am besten in guten Zeiten und gemeinsam mit dem Partner.
Beitragsbild von Sarah Richter auf Pixabay
Weitere Informationen
Video zum Vortrag von Ulrike Fechner-Fohgrub im Alster Business Club: „Kinder, Kita & Karriere“
Mein Beitrag; Wie meine Kinder mit 100€ für die ersten 18 Lebensjahre 1000 € Rente bekommen werden
Mein Beitrag: Wie dein Kind sein Taschengeld aus einem ETF erhält und dabei viel über die Börse lernt
Mein Name ist Andree de Boer. Seit mehr als 20 Jahren beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema Finanzen. In meinem Blog berichte ich über meine Erfahrungen.
Dabei ist mir über die Zeit aufgefallen, dass der Schlüssel zum Erfolg bei Geld und Finanzen nicht primär in irgendwelchen Finanzprodukten liegt.
Vielmehr sind es die eigene Einstellung und das Verhalten, die den Erfolg maßgeblich beeinflussen.
Deshalb konzentriere ich mich zunehmend auf das Thema Finanzcoaching, um Menschen in die Lage zu versetzen, produktunabhängig gute Finanzentscheidungen zu treffen.
Dazu habe ich eine professionelle Ausbildung zum FCM Finanzcoach absolviert.
Meine Dienstleistungen biete ich völlig produktunabhängig auf Honorarbasis an.
In meinem Blog berichte ich auch über eigene Erfahrungen mit konkreten Finanzprodukten. Dies stellt jedoch ausdrücklich keine individuelle Empfehlung dar.
Nimm mit mir Kontakt auf oder buche online ein kostenloses Erstgespräch. Wir finden heraus, wie ich Dir helfen kann.
3 Gedanken zu „Mehr finanzielle Gerechtigkeit bei der Kindererziehung: So verhinderst du eine drohende Einkommenslücke“
Hans-Jürgen Brandt hatte es schon erwähnt. Bei den wöchentlichen Zoom-Meetings, immer Dienstags ab 20 Uhr, setzen die Mitglieder im ALSTER BUSINESS CLUB neue „Trends“ mit ihren Themen. „Der ALSTER BUSINESS CLUB ist nicht Mainstream, er setzt in den Diskussionen dort an, wo es wirklich kneift.“ ich freue mich sehr, dass unsere Themen beginnen, nun auch in Blogs ihren Platz zu finden und ich würde mich freuen, wenn dieses Beispiel Schule macht. Für mich ist es ein wenig vergleichbar mit der Globalisierung: Sie fragt nicht, ob wir sie gern haben oder sie mögen. Sie ist faktisch da. Wenn wir weiter im globalen Markt überleben wollen, ist es gut, wenn wir uns regional zusammen schließen und gegenseitig die Stärken zu stärken. Auch bei gesellschaftlichen Defiziten ist festzustellen: „Allein sind wir nichts, in der Gruppe sind wir alles.“. Durch unseren Zusammenschluss können wir sensibilisieren und dann sicher auch viel erreichen..
Hallo Andree,
klasse auf den Punkt geschrieben. Eine Nachfrage: Wieso erhält Partner 2 nur jeweils 1 Entgeltpunkt pro Kind. Da die Kinder nach 1992 geboren sind, gibt es doch bis zu 3 EP pro Kind, selbst mit zusätzlicher Berufstätigkeit nach einem Jahr Elternzeit. Was übersehe ich hier?
Idee: Rechne doch nochmal den Fall, Partner 1 nimmt Elternzeit beim ersten Kind, Partner 2 Elternzeit beim zweiten. Und: Beide nehmen gemeinsam Elternzeit.
Beste Grüße
— Dani
Hallo Dani,
ja, es gibt maximal 3 EP pro Kind. Die EP gibt es aber nur pro Jahr. Das bedeuetet, wenn ich nach einem Jahr wieder arbeite, dann kann ich maximal 1 EP für das Jahr erhalten.
Siehe auch das Kapitel: „Ein Jahr Kindererziehung bringt fast einen Entgeltpunkt“ (https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Rente/Familie-und-Kinder/Kindererziehung/kindererziehung_node.html)
Gruß
Andree