Es gibt sie immer wieder im Leben, die Aha-Momente. Das Verständnis der Cash-Flow-Kaskade war ein solches Aha-Erlebnis. Es zeigt schön auf warum Aktien langfristig eine positive Rendite erwirtschaften müssen und warum Staatsanleihen der perfekte Sicherheitsanker im Portfolio sind.
Grundlage dieses Beitrags ist der Blog-Beitrag von Gerd Kommer. In dem Beitrag wird das Konzept der „Cash-Flow-Kaskade“ beschrieben.
In diesem Beitrag erläutere ich die Cash-Flow-Kaskade anhand einer Reise. Wir starten die Reise mit einem Sack voller Geld. Am Ziel der Reise werden wir den Inhalt dieses Sacks an den Eigentümer übergeben. Ob und wieviel Geld noch im Sack enthalten ist, bestimmt die Cash-Flow-Kaskade.
Wir versetzen uns dafür in eine Zeit in der Wegezoll üblich war. Um damals von A nach B zu kommen, war es an Stadttoren oder Brücken notwendig einen Wegezoll zu bezahlen.
Die Reise beginnt
Der Start unserer Reise ist dabei ein Markt. Dort werden Waren gehandelt und der entsprechende Umsatz gemacht. Das Ziel der Reise ist das Anwesen der Eigentümer. Auf dem Weg vom Markt zum Eigentümer gibt es einige Kontrollpunkte mit Wegezoll zu überwinden.
Der Kontrollpunkt 1: Der Marktplatz
Auf dem Marktplatz füllen wir unser Geldsack. Je mehr Umsatz wir machen umso voller wird der Sack.
Wir machen uns also mit unserem Umsatz vom Markt auf den Weg zum Eigentümer. Es dauert nicht lange bis wir den ersten Kontrollprunkt erreichen. Von einem Plakat lacht uns der ehemalige Arbeitsminister Norbert Blüm entgegen.
Kontrollpunkt 2: Norbert Blüm hatte recht: Die Rente ist sicher!
Jetzt wird mir klar, warum er diesen legendären Satz sagte. „Die Rente ist sicher“. Mir viel es wie Schuppen von den Augen. Er war stets der erste, der sich von meinem Geldsäckchen bedienten konnte.
Der erste Kontrollpunkt zieht das Wegegeld für die staatlichen Sozialversicherungen ein. Ganz vorne das Wegegeld einzusammeln, erhöht natürlich die Sicherheit, dass noch ausreichend Geld im Säckchen ist.
Kontrollpunkt 3: Noch-Finanzminister Olaf Scholz lauert als nächstes
Um den Betrag der staatlichen Sozialversicherungen erleichtert, ging es mit dem Geldsack weiter. Der nächste Kontrollpunkt ließ nicht lange auf sich warten.
Aus dem Augenwinkel erkenne ich das Antlitz von Olaf Scholz, unseren Noch-Finanzminister. Mit einer staatsmännischen Geste zeigt er auf das weite Land und flüstert leise: „Das wird bald alles mir gehören“. Der wahrscheinlich nächste Kanzler bereitet sich schon auf die neue Aufgabe vor.
Sein Personal langt aber unermüdlich zu und erleichtert den Geldsack um die Steuern.
Kontrollpunkt 4: Die Arbeitnehmer fordern ihren fairen Anteil
Da die Eigentümer die Waren nicht selbst herstellen, produzieren und verkaufen, braucht es Menschen, die diese Aufgabe übernehmen.
Der Lohn für diese Arbeit wird am nächsten Kontrollpunkt eingezogen. Gleich neben dem Kontrollpunkt haben die Gewerkschaften ihren Hauptsitz und kämpfen dafür, dass sich der Wegezoll an diesem Kontrollpunkt kontinuierlich erhöht.
Kontrollpunkt 5: Ohne Rohstoffe und Werkzeuge keine Waren
Aus Rohstoffen und mit bestimmten Werkzeugen werden die Waren erstellt. Für den Transport braucht es eine geeignete Ausstattung. All das kostet Geld.
Die Sachkosten für die Waren werden am nächsten Kontrollpunkt gesammelt und an die jeweiligen Lieferanten verteilt.
Der Geldsack ist nun merklich leichter geworden. Doch es sind noch ein paar Kontrollpunkte zu passieren.
Kontrollpunkt 6 und 7: Die Gläubiger wollen ihren Anteil
Kredite sind der Schmierstoff der Wirtschaft. Irgendjemand stellt Geld zur Verfügung, damit jemand anderes etwas Sinnvolles damit tun kann.
Doch irgendwann müssen die Zinsen bezahlt und die Kredite getilgt werden.
Der Kontrollpunkt 6 treibt die offenen Zinsen ein. Der Kontrollpunkt 7 ist für fällige Rückzahlungen zuständig.
Kontrollpunkt 8: Die Vermieter kommen auch noch dran
Langsam nähern wir uns dem Anwesen der Eigentümer. Vorher gibt es noch einen Kontrollpunkt der Vermieter. Hier werden die Mieten für genutzte Immobilien fällig.
Die Ware muss gelagert werden, die Arbeitnehmer wollen nicht ungeschützt von Wind und Wetter produzieren.
Die Vermieter könne nur hoffen, dass im Geldsack noch genug vorhanden ist, um die Miete zu begleichen. Dies ist am 8. Kontrollpunkt leider nicht immer gewährleistet.
Kontrollpunkt 9: Innovation fordern und fördern
Am letzten Kontrollpunkt wird um eine Gabe für Investitionen gebeten. Neue, effizientere Maschinen können die Menge der Waren erhöhen oder zu einer günstigeren Produktion führen. Forschung und Entwicklung kann zu einem Wettbewerbsvorteil führen und das Geschäft nachhaltiger werden lassen.
Das Ziel: Die Eigentümer bekommen den Rest
Nach 9 Stationen kommt der Geldsack endlich am Ziel an. Während der Sack beim Verlassen des Marktes noch prall war, wurde auf den folgenden Stationen mal mehr mal weniger aus dem Sack entnommen.
Das was jetzt noch übrig ist, ist der Gewinn und das bekommen die Eigentümer. Ist der Sack auch nach den Stationen prall gefüllt, freuen sich die Eigentümer.
Doch dies ist nicht immer gewährleistet und die folgenden Kapitel gehen darauf ein was denn alles auf dem Weg passieren kann.
Was passiert, wenn sich der Geldsack bereits auf dem Weg leert?
Sollte bei einem der Kontrollpunkte nicht mehr genug Geld im Sack sein, um den Wegezoll zu bezahlen, muss der Eigentümer aktiv werden.
Er kann sein Eigenkapital nutzen, um den Geldsack wieder zu füllen und die Reise fortsetzen zu lassen. Dafür nimmt er bildlich gesprochen den Fehlbetrag aus seiner Privatschatulle. Er kann aber auch andere bitten, etwas aus deren Privatschatulle beizusteuern. Damit werden sie dann zu Miteigentümern und sind am Gewinn beteiligt.
Alternativ nimmt er einen Kredit auf. Dafür muss er jemanden finden, der ihm das Geld leiht. Außerdem erhöht das die zukünftigen Abgaben an den Kontrollpunkten 6 und 7.
Damit dies nachhaltig aufgeht, muss er den Umsatz erhöhen, oder an den Kontrollpunkten, die er selbst beeinflussen kann, den Wegezoll reduzieren.
Passiert es also häufiger, dass der Geldsack sich bereits auf dem Weg leert, dann wird dies früher oder später zu einem Konkurs des Unternehmens führen.
Die Rente ist zwar sicher, aber leider nicht nachhaltig
Norbert Blüm ziert prominent den ersten Kontrollpunkt. Das sicherste was unser Staat zu bieten hat, ist demnach die Rente sowie die weiteren Sozialversicherungen.
Problem hier ist, dass der Anteil sich nicht am Umsatz ermisst, sondern an der Höhe und der Anzahl der Arbeitnehmer. Demografie, Produktion im Ausland und vielleicht auch Automatisierung wirken hier nicht förderlich. Je weniger sozialversicherte Arbeitnehmer in Zukunft in Unternehmen arbeiten, umso weniger Einnahmen gibt es.
Da hilft auch die strategisch günstige Position des Kontrollpunktes wenig.
Warum sind Kredite von Staaten wie Deutschland die sichersten Wertpapiere?
Staaten wie Deutschland nehmen Kredite über Staatsanleihen auf.
Wie wir auf unserer Reise gesehen haben, sind die Kontrollpunkte für Staaten strategisch gut am Anfang des Weges positioniert. Die Wahrscheinlichkeit, dass an diesen Punkten leere Geldsäcke auftauchen, ist gering.
Im Unterschied dazu ist der Wegezoll für Unternehmensanteile an den Kontrollpunkten 6 und 7 gelegen. Hier besteht schon ein höheres Risiko, dass die Geldsäcke leer sein können.
Anleihe ist also nicht gleich Anleihe. Staatsanleihen sind aus diesem Grund immer sicherer als entsprechende Unternehmensanleihen aus demselben Land. (Siehe auch das Konzept des Sovereign Ceiling)
Dies begründet sich schlicht und einfach aus der Tatsache, dass ein Staat strategisch die bessere Position hat, um an Geld zu kommen, als jedes in diesem Land ansässige Unternehmen.
Dieser einfache Umstand macht auch deutlich, warum Unternehmensanleihen im Normallfall mehr Rendite erwirtschaften als Staatsanleihen. Da die Position der Kontrollpunkte bei Unternehmensanleihen weiter hinten ist, reduziert sich die Sicherheit der Wertpapiere und die Risikoausfallprämie muss höher ausfallen als bei Staatsanleihen.
Warum Aktien langfristig steigen müssen?
Nachdem alle Kontrollpunkte passiert sind, freuen sich die Eigentümer über den Inhalt der Säcke.
Stellen wir uns vor die Säcke sind bei der Ankunft mehrheitlich leer. Das kann sich kein Unternehmer langfristig antun.
Der Lohn für die Arbeit und das eingegangene Risiko muss langfristig ein gut gefüllter Geldsack für die Eigentümer sein, ansonsten würde sich Unternehmertum gar nicht lohnen.
Unternehmen sorgen dafür, dass die Wertschöpfung am Laufen gehalten wird. Unternehmen sorgen dafür, dass wir mit Produkten versorgt werden, die wir täglich konsumieren. Unternehmen füttern die Cash-Flow Kaskade und sorgen damit für Staatseinahmen, Arbeitsplätze, Kreditbedarf und Investitionen.
Damit werden sie langfristig im Durchschnitt mit 7% Rendite belohnt. Was passiert, wenn die Rendite der Unternehmen langfristig unter der von alternativen Anlageformen fallen würde? Wie attraktiv ist dann noch Unternehmertum?
Es entbehrt nicht einer gewissen Logik, dass die Rendite am Ende der Kaskade langfristig höher sein muss als bei Anlageformen, deren Rendite sich aus der Kaskade selbst speist. Trifft dies langfristig nicht zu, muss die ganze Kaskade zwangsläufig in sich zusammenbrechen. Das würde dann den Zusammenbruch unseres Wirtschaftssystems bedeuten.
Die Erwartung der Rendite (genauer gesagt Eigenkapitalrendite) bei Unternehmen liegt zwischen 10% und 20%. Da es immer wieder Krisen gibt und es auch nicht alle Unternehmen immer schaffen, am Ziel gut gefüllte Geldsäcke zu haben, liegt die bereinigte Rendite über die letzten 100 Jahre bei ca. 7%.
Ob die durchschnittliche Rendite auch in Zukunft bei 7% liegen wird, weiß natürlich keiner. Fakt ist aber, dass sie langfristig höher liegen muss als bei alternativen Anlageformen. Das ergibt sich schlicht und einfach aus der Logik der Cash-Flow Kaskade.
So kommst du an die Geldsäcke
Du möchtest auch ein Stück des Kuchens (also den Geldsäcken) abhaben? Kein Problem! Ein breitgestreuter ETF wie z.B. der Vanguard FTSE All-World bietet dir Zugriff auf fast 4.000 dieser Geldsäcke.
Durch die breite Streuung ist es egal, ob da auch vereinzelt schlechter gefüllte oder leere Geldsäcke bei sind. Im Schnitt wirst du die Gewinne der Weltwirtschaft abgreifen.
Du stehst mit einem Aktien-ETF also bei der Cash-Flow Kaskade ganz hinten und trägst damit das volle unternehmerische Risiko. Dafür ist der Gewinn aber auch nicht gedeckelt.
Alternativ kannst du dich mit einem Anleihen-ETF weiter vorne einreihen, hast dann aber auch nur gedeckelte Renditen.
Die Vanguard LifeStrategy liefert das Beste aus beiden Welten. Die LifeStrategy gibt es in der Ausprägung 20%, 40%, 60% und 80%. Die Prozentzahl sagt, zu welchem Anteil du ganz hinten in der Kaskade eingeordnet bist, dich also am unternehmerischen Risiken beteiligst. Der jeweils fehlende Anteil ergibt sich aus Anleihen, die weiter vorne in der Kaskade positioniert sind.
So hat jeder die Möglichkeit sein unternehmerisches Risiko individuell zu wählen und von der Wertschöpfung der Weltwirtschaft zu profitieren.
Das minimal funktionsfähige Portfolio beschreibt im Detail wie das funktioniert.
Mein Name ist Andree de Boer. Seit mehr als 20 Jahren beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema Finanzen. In meinem Blog berichte ich über meine Erfahrungen.
Dabei ist mir über die Zeit aufgefallen, dass der Schlüssel zum Erfolg bei Geld und Finanzen nicht primär in irgendwelchen Finanzprodukten liegt.
Vielmehr sind es die eigene Einstellung und das Verhalten, die den Erfolg maßgeblich beeinflussen.
Deshalb konzentriere ich mich zunehmend auf das Thema Finanzcoaching, um Menschen in die Lage zu versetzen, produktunabhängig gute Finanzentscheidungen zu treffen.
Dazu habe ich eine professionelle Ausbildung zum FCM Finanzcoach absolviert.
Meine Dienstleistungen biete ich völlig produktunabhängig auf Honorarbasis an.
In meinem Blog berichte ich auch über eigene Erfahrungen mit konkreten Finanzprodukten. Dies stellt jedoch ausdrücklich keine individuelle Empfehlung dar.
Nimm mit mir Kontakt auf oder buche online ein kostenloses Erstgespräch. Wir finden heraus, wie ich Dir helfen kann.
8 Gedanken zu „Warum steigen Aktien langfristig um 7%?“
Man muß vielleicht ergänzen daß – entsprechend den Werten in den Renditedreiecken – die globalen Aktienmärkte um ca. 7% p.a. nominal und ca. 5% p.a. nach Abzug der Inflation real steigen. Wenn man sich vergegenwärtigt daß heute vieles dasselbe kostet was es vor 20 Jahren betragsgleich in DM gekostet hat leuchtet dies auch ein.
Moin Hans,
das ist korrekt. Die 7% enthalten quasi langfristig einen eingebauten Inflationsschutz. Nach Inflation ergibt das eine reale Mehrrendite von 5%.
Gruß
Andree
Sicherlich ist es nicht das Beste mit Eckwerten zu rechnen aber wenn man die Aussage der 72er Regel daß sich ein Kapital das durchschnittlich mit 7% wächst alle 10 Jahre verdoppelt auf mir direkt erinnerliche Indexstände des Jahres 2000 anwendet wie DAX und SMI bei 8.000 Punkten, Dow Jones bei 11.500 Punkte, S&P 500 sowie MSCI World bei 1.500 Punkte und Nasdaq 100 bei 4.500 Punkte so müßten alle diese Indizes heute 21 Jahre später den vierfachen Wert erreicht haben was bei keinem Index der Fall ist. Am schlechtesten gelaufen beispielsweise ist der schweizer SMI mit gerade 12.000 Punkten heute anstatt 48.000 mit durchschnittlich 7% Wachstum p.a.. Auch der MSCI World steht heute nicht bei 6.000 Punkten, also einer Vervierfachung der 1.500 Punkte aus dem Jahr 2.000 und ist dergestalt während 20 Jahren Anlagedauer mit einer niederen Rate als den vielfach propagierten 7% p.a. gewachsen?
@Hans,
die Fragen, die Dich weiterfuehren koennten:
– Ist ein best. Zeitpunkt (hier Fruehjahr 2000) von dem die 7%pa gemessen werden eine relevante Methodik?
– Waere es viell. besser von einem Gleitenden Durchschnitt (zB GD200) aus zu messen, um besondere Gipfel/Taeler bei Punkt-zu-Punkt-Vergleichen zu vermeiden?
– Was ist der Unterschied von Kurs- und Performance-Indices und macht die Betrachtung von Kurs-Indices aus Anlegersicht ueberhaupt Sinn?
– Sind vielleicht gar Netto-Dividenden ein wesentlicher Renditebestandteil fuer den Anleger und wie unterscheiden sich zB die Dividenden-Renditen zwischen SMI und Nasdaq100?
– Woher bekommt man die Netto-Rendite-Kursreihen, um realere Vergleiche durchfuehren zu koennen?
LG Joerg
@ Joerg: Danke für Deine Anmerkungen. Vieles davon ist mir bekannt oder war mir bewußt. Aber wie lange muß man zuwarten daß sich eine marktbreite Anlage letztlich lohnt? Mir ist auch klar daß sich der DAX als Performanceindex schlechter rentiert hat als dies der nominelle Indexzuwachs suggeriert. Wenn man die börsentechnisch glücklichen 90er Jahre miteinbezieht „rechnet“ sich vieles besser so wie dies bis zum Anfang der 10er Jahre bei der Werbung von Fonds etc. Standard war. Deswegen begreife ich hier den norwegischen Pensionsfonds als Musteranleger weil dort mit einer intelligenten, über die Zeit stets veränderten Portfoliostruktur eine bessere Rendite bei geringerem Risiko und Volatilität als mit vielen markbreiten Indizes wie beispielsweise DAX oder SMI erzielt wurde.
@Hans
visaguide.world/tips/how-to-become-a-citizen-of-norway/
Viel Glueck 😉
@ Joerg: Vielen Dank! Ich denke jedoch daß über den MSCI World oder S&P 500 hier mittelfristig mehr für mich erreichen kann. Absolut bitter finde ich daß man nach über einer Dekade Lebenszeit verbracht im deutschen Bildungssystem nicht ansatzweise davon etwas erfährt.
Danke für deinen interessanten und niveauvollen Artikel. Die Geschichte ist sehr spannend und das Thema „Steigen der Aktienkurse“ ist wirklich wichtig und ernstzunehmen.