Bei der Europa-Rente (Pan-European Personal Pension Product, PEPP) handelt es sich um eine private Altersvorsorge. Ähnlich wie bei Riester oder Rürup sollen damit alle EU-Bürger die Möglichkeit haben, die zunehmend aufkommende Rentenlücke im Ruhestand zu schließen.
Seit dem 14. August 2020 ist die PEPP-Verordnung offiziell in Kraft getreten. Die ersten Produkte auf Basis der Verordnung werden Ende 2021 oder Anfang 2022 erwartet.
Was steckt nun hinter der Europa-Rente? Werden die Fehler der Riester-Rente vermieden oder ist es am Ende eine verkappte Riester-Rente mit blauem Hintergrund und gelben Sternen? In diesem Beitrag schaue ich etwas hinter die Kulissen der Europa-Rente.
Die Eckpunkte der Europa-Rente
Anders als Riester oder Rürup richtet sich die Europarente nicht an eine bestimmte Gruppe, sondern steht für jeden europäischen Bürger offen. Egal ob Beamter, Angestellter, Selbständiger, Auszubildender, Lebenskünstler, arbeitslos oder Student. Jeder soll in den Genuss dieser Möglichkeit kommen.
Die folgenden Kernelemente beschreiben die Europarente:
- Digitaler Vertrieb und Nutzung
- Vollständige Transparenz
- Obligatorische Beratung
- Grenzüberschreitende Übertragbarkeit
- Einfache und erschwingliche Standardoptionen
- Wechselrecht
- Flexible Auszahlung
- Nachhaltige Investitionen
Ich werde mich auf die Aspekte konzentrieren, die ich als potentiell problematisch identifiziert habe. Die Beschreibung der Kernelemente findet sich unter anderem hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Europarente#Kernelemente_der_Europarente
https://www.pension-europe.eu/index_De.html
Gut gemeint, aber schlecht gemacht?
Beim genaueren Hinsehen gibt es ein paar Punkte, die den Nutzen dieser Produkte gefährden könnten. Mir sind folgende Schwachstellen aufgefallen.
Die Kosten
Laut Verordnung dürfen die jährlichen Kosten maximal 1% des Anlagewertes betragen. Das ist zu teuer! Die 1% jährlichen Kosten verstecken den Gesamtkosten-Effekt. Wer 40 Jahre lang 100 € einzahlt, hat ohne Kosten einen Endwert von ca. 248.000 €. Mit 1% Kosten sind es nur noch 188.000 €. Gesamtkostenquote nach 40 Jahren: 25%! Also: Ein Viertel des zukünftigen Erwartungswerts geht durch Kosten verloren.
Angemessen sind meines Erachtens max. 0,5% jährliche Kosten. Dies würde auf einen Endwert von 216.000 € hinauslaufen, was eine Gesamtkostenquote von 13% entspricht.
Der Kostendeckel gilt auch nur für die obligatorische Standardoption (der Basis-PEPP). Jeder Anbieter darf bis zu 6 Produktvarianten anbieten. Für die weiteren Produktvarianten gilt dieser Kostendeckel nicht. Da stellt sich gleich die Frage welche Produkte zukünftig ein größeres Vertriebs- und Marketingbudget haben werden?
Ich sehe hier die Gefahr, dass wir tendenziell wieder zu teure Produkte am Markt haben werden. Damit hätten wir dasselbe Problem wie bei Riester und Rürup. Auch heute gibt es bereits günstige Riester- und Rürup Produkte am Markt. Allerdings sind sie selten dem Otto-Normalverbraucher bekannt, denn um die Produktkosten gering zu halten, wird das Vertriebs- und Marketingbudget entsprechend gering sein müssen.
Die Sicherheit
Unser geschätzter Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat laut Eigenaussage sein gesamtes Geld auf dem Sparbuch. Ich nehme mal an, er wird im Ruhestand eher nicht mit dem Problem der Rentenlücke konfrontiert sein. Er kann es sich also leisten sein Geld auf dem Sparbuch liegen zu lassen, auch wenn es langsam an Kaufkraft verlieren wird.
Die meisten Bundesbürger ohne üppige Pensionen können es sich nicht leisten. Sofern sie Geld übrig haben, macht es Sinn mindestens einen Teil so zu investieren, um an der weltweit wachsenden Wertschöpfung teilzuhaben. Nur so haben sie die Möglichkeit von der wachsenden Weltwirtschaft und damit vom Zinseszins-Effekt zu profitieren.
Der Preis dafür: Selbst wenn die Weltwirtschaft langfristig steigt, unterliegt sie Zyklen. Wer 40 Jahre anlegt wird vielleicht 3 Crashes miterleben. Nach 40 Jahren haben sich die Märkte im Durchschnitt versechzehnfacht (16x). Um nach 40 Jahren aufs Sparbuch-Niveau zu kommen, müssten die Märkte kurz vor dem Ruhestand um über 93% einbrechen. Möglich ist das, wahrscheinlich eher nicht. Und falls das passiert, ist deine Geldanlage das kleinste Problem.
Die Europarente sieht – ähnlich wie Riester – den Kapitalschutz vor. Das ist ein Grundproblem unserer Vorsorgeprodukte. Der Kapitalschutz hat enorme Opportunitätskosten. Das ist so als ob ich in der Karibik ein teures Abo für einen Regenschirm abschließe, mit der Verpflichtung ihn bei jedem Wetter zu nutzen. Ich werde zwar nie nass, habe aber auch nichts von der Sonne.
Die Sicherheit soll es bei der Europarente in zwei Ausprägungen geben.
Typ 1: Der Anbieter muss garantieren das eingezahlte Kapital zu erhalten. (ähnlich wie heute bei Riester)
Typ 2: Mit Risikominderungsstrategien (z.B. das sog. Lebenszyklusmodell) müssen die Voraussetzungen gegeben sein die Rückzahlung des Kapitals zu ermöglichen ohne jedoch rechtlich zur Rückzahlung verpflichtet zu sein.
Wenn das bedeutet, dass eine heute 27-jährige die nächsten 40 Jahre nicht zu 100% in Aktien anlegen kann, dann beraubt die Europarente den jungen Menschen die Chance voll von der wachsenden Weltwirtschaft zu profitieren.
Die steuerliche Förderung
Eine steuerliche Förderung könnte eine Europa-Rente mit niedrigen Kosten und Verzicht auf teure Sicherheit attraktiv machen.
Eine mögliche steuerliche Förderung obliegt den Mitgliedstaaten und ist damit nicht Teil der Verordnung. Sie wird lediglich empfohlen.
Ohne steuerliche Förderung hat die Europarente keine guten Erfolgsaussichten in Deutschland. Es gibt allerdings bereits Stimmen, dass die PEPP mindestens den Förderbedingungen der Riester-Rente entsprechen muss. Dies wäre eine schlechte Nachricht. Es könnte bedeuten, dass z.B. die Kapitalgarantie ein notwendiges Kriterium ist.
Dies führt dann potentiell zu solchen Situationen wie wir im Corona-Crash gesehen haben. Die Anbieter schichteten – teilweise selbst bei jungen Anlegern – in sichere Anlageformen um. Bei der Erholung am Aktienmarkt standen sie plötzlich mit dem bereits investierten Geld an der Seitenlinie, obwohl das Spiel noch Jahre oder Jahrzehnte läuft.
Fazit
Die Europa-Rente wird von einigen Medien als potentielle Riester-Revolution angepriesen. Ob sich die Europarente in Ländern wie Deutschland – mit bereits bestehendem Angebot von geförderter privater Vorsorge – durchsetzen wird, ist auch stark von einer steuerlichen Förderung abhängig.
Mit den Grundideen der Europarente ist sicherlich eine gute Absicht verbunden. Ich fürchte nur, dass die Aspekte Kosten und die aufgezwungene Sicherheit zu ähnlichen Produkten führen können wie derzeit bei Riester und Rürup.
Nicht nur für die Europarente gilt: Schaut auf die Kosten und prüft, ob ihr euch mögliche Sicherheiten „leisten“ könnt. Die Anbieter von teuren Produkten werden vom Ergebnis die kostengünstigen, breit diversifizierten Anlageprodukte nicht schlagen können. Das ist eine mathematische Notwendigkeit und kann von keinem Vertrieb, Marketing oder gut ausgebildetem Bankmitarbeiter außer Kraft gesetzt werden.
Ihr könnt heute schon günstiger anlegen. Wenn auch ohne explizite steuerliche Förderung vom Staat. Einfach einen weltweit gestreuten ETF und je nach Risikobedarf, Risikotragfähigkeit und Risikotoleranz einen risikoarmen Anteil. Wie das geht beschreibt das 100-Konzept.
Weitere Informationen zum Thema
Amtsblatt der Europäischen Union: PEPP-Verordnung
Focus: Jetzt kommt die Europa-Rente: Alles, was Sie zu PEPP wissen müssen
Mein Name ist Andree de Boer. Seit mehr als 20 Jahren beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema Finanzen. In meinem Blog berichte ich über meine Erfahrungen.
Dabei ist mir über die Zeit aufgefallen, dass der Schlüssel zum Erfolg bei Geld und Finanzen nicht primär in irgendwelchen Finanzprodukten liegt.
Vielmehr sind es die eigene Einstellung und das Verhalten, die den Erfolg maßgeblich beeinflussen.
Deshalb konzentriere ich mich zunehmend auf das Thema Finanzcoaching, um Menschen in die Lage zu versetzen, produktunabhängig gute Finanzentscheidungen zu treffen.
Dazu habe ich eine professionelle Ausbildung zum FCM Finanzcoach absolviert.
Meine Dienstleistungen biete ich völlig produktunabhängig auf Honorarbasis an.
In meinem Blog berichte ich auch über eigene Erfahrungen mit konkreten Finanzprodukten. Dies stellt jedoch ausdrücklich keine individuelle Empfehlung dar.
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