Bestandsaufnahme

Als junger Student war ich mal mit Freunden in Athen. Um von A nach B zu kommen, nutzten wir ein Taxi. Dass wir Touristen waren, konnten wir nur schwer verbergen. Und so nutzte der Taxifahrer unsere Unwissenheit aus, um uns nach Strich und Faden auszunehmen.

Wir hätten auch alternativ selbst mithilfe der öffentlichen Verkehrsmittel oder mit einem Mietauto von A nach B fahren können. Wir hätten dann die Kontrolle gehabt, allerdings hätten wir uns selbst darum kümmern müssen, den Weg von A nach B zu finden.

Bei ihren Finanzen geben viele Menschen die Kontrolle ab. Sie setzen sich sprichwörtlich auf den Beifahrer- oder Rücksitz und können das Cockpit nicht sehen oder nicht interpretieren.

Doch um die persönlich beste Lösung zu finden, ist es essentiell das Cockpit zu sehen und interpretieren zu können.

In dieser Metapher sind Bankverkäufer oder „Berater“ auf Provisionsbasis oft die Taxifahrer, während man selbst auf dem Beifahrer- oder Rücksitz Platz nimmt. Man gibt die Kontrolle ab und zahlt am Ende einen hohen Preis (siehe auch den Beitrag „Warum ich mich um meine Finanzen kümmern sollte„).

Um selbst die Kontrolle zu übernehmen, brauchst du ein Cockpit. Das Cockpit muss einfach und verständlich zeigen, welche Strecke du bereits gefahren bist, wo du dich gerade befindest und welches Ziel du ansteuerst.

Für den ersten und zweiten Schritt muss daher eine Bestandaufnahme erfolgen. Bestandaufnahme heißt auch immer, dass man mitunter Dinge findet, die man im Nachhinein als (unbewusst) falsche Entscheidung identifiziert (siehe auch den Beitrag „Die versunkenen Kosten oder die emotionale Rechtfertigung von Fehlentscheidungen„). Mir ist bisher niemand bekannt, der in seinem Leben nur richtige Finanzentscheidungen getroffen hat (oder hat treffen lassen). Daher ist jeder hier in bester Gesellschaft. Ich persönlich kann ebenfalls aus einem reichen Schatz an – im Nachhinein – falschen Entscheidungen schöpfen.

Um also die Frage zu beantworten, von wo man finanziell kommt und wo man gerade steht, ist die Bestandsaufnahme essentiell. Wir nutzen für die Bestandsaufnahme das Finwohl-Geldfluss-Modell. Ziel ist es, auf einen Blick die Einnahme-, Ausgabeentwicklung und die bestehenden Vermögenswerte transparent zu machen und auf Basis dieser Information eine Bestandsaufnahme durchzuführen. In diesem Kompendium werden wir die Bestandsaufnahme Schritt für Schritt durchführen. Ziel ist es, bereits früh mit wenig Aufwand erste Ergebnisse zu erhalten.

Wer schon einmal ein Haushaltsbuch manuell mit Stift und Papier, in Excel oder einer App geführt hat, wird ob des Aufwands mäßig begeistert sein. Die gute Nachricht ist, dass die Bestandsaufnahme größtenteils automatisch passieren kann. Es müssen hierfür einige Voraussetzungen gegeben sein. Wir werden im Folgenden mögliche Wege beschreiben.

Sobald die Bestandsaufnahme steht, kann anhand dieser Information der finanzielle Status Quo abgeleitet werden. Die folgenden Fragen können beispielsweise beantwortet werden:

  • Stehen die Einnahmen und Ausgaben in einem vernünftigen Verhältnis?
  • Welche Art von Einnahmen und Ausgaben habe ich?
  • Welchen Spielraum habe ich für einen strukturierten Vermögensaufbau?
  • Welche finanziellen Risiken trage ich zurzeit?
  • Habe ich genug Rücklagen, um auf unvorhergesehenen Ereignissen reagieren zu können?
  • Welches Potential habe ich, um für mein Alter vorzusorgen?
  • Welche Vermögenswerte habe ich und was habe ich an Verbindlichkeiten?

Im nächsten Kapitel zeigen wir anhand von Wasserläufen das Grundprinzip von Geldflüssen in einem privaten Haushalt.

Weitere Seiten:
Konkretes Beispiel für eine Bestandsaufnahme nach dem Finwohl-Geldfluss-Modell