Wie ich durch die steuerliche Optimierung meiner Abfindung einen Vorteil von 100.000 € geschaffen habe

Ich liebe diese Art der Herausforderungen! Unbekanntes zu durchdringen und zu verstehen. Und die optimale Ausgestaltung einer Abfindung war so eine Herausforderung. Ich machte daraus ein Projekt und konnte das Projekt Ende September 2022 erfolgreich abschließen. Ergebnis: Ein Vorteil von 100.000 € durch eine geschickte Nutzung der Abfindung.

Anfang 2020 stand ich vor einer größeren Änderung in meinem Leben. Die Tage bei meinem damaligen Arbeitgeber waren gezählt. Eine Abfindung bescherte mir finanzielle Flexibilität und für mich stellte sich die Frage, was die nächsten Schritte sind.

Wer die Fünftelregelung versteht, kann massiv profitieren

Ich spielte also etwas mit dem Abfindungsrechner herum und bemerkte eine Besonderheit, die mein Forschungsinstinkt weckte. Der zusätzliche Bruttoverdienst im Jahr der Abfindung hat eine dramatische Auswirkung auf die Besteuerung der Abfindung.

Die Dramaturgie wird deutlich, wenn man verschiedene Szenarien durchspielt:

Abfindung    50.000,00 €  100.000,00 €  150.000,00 €  200.000,00 €
Steuern Abfindung                   –   €          360,00 €    10.100,00 €    22.660,00 €
Netto    50.000,00 €    99.640,00 €  139.900,00 €  177.340,00 €
     
Steuerquote auf Abfindung0%0,4%7%13%
     
Bruttoverdienst im Abfindungsjahr  100.000,00 €  100.000,00 €  100.000,00 €  100.000,00 €
Steuern Abfindung    20.406,22 €    42.927,95 €    65.082,95 €    87.237,95 €
Steuern Bruttoverdienst    24.635,35 €    25.307,34 €    25.307,34 €    25.307,34 €
     
Netto    104.958,43 €  131.764,71 €  159.609,71 €  187.454,71 €
Differenz        54.958,43 €    32.124,71 €    19.709,71 €    10.114,71 €
     
Steuerquote auf Bruttoverdienst45%68%80%90%
Steuerliche Auswirkung eines Bruttoverdienst von 100.000 € im Jahr der Abfindung für gemeinsam veranlagte nach dem Splittingtarif 2021

Schauen wir uns exemplarisch die letzte Spalte etwas genauer an. Wer eine Abfindung von 200.000 € bekommt und gemeinsam veranlagt ist, zahlt auf die 200.000 € dank der Fünftelregelung eine Steuer von 22.660 €. Das macht dann Netto rund 177.000 €.

Das gilt aber auch nur, wenn im Jahr der Abfindung keine weiteren steuerwirksamen Einkünfte dazukommen. Denn wer im Jahr der Abfindung noch zusätzlich 100.000 € steuerwirksame Einkünfte hat, kommt mit insgesamt rund 187,000 € Netto raus. Das heißt im Ergebnis, dass für die zusätzlichen 100.000 € Einnahmen fast 90.000 € Steuern anfallen…

Doch es geht noch krasser:

Abfindung    50.000,00 €  100.000,00 €  150.000,00 €  200.000,00 €
Steuern Abfindung                   –   €          360,00 €    10.100,00 €    22.660,00 €
Netto    50.000,00 €    99.640,00 €  139.900,00 €  177.340,00 €
     
Steuerquote auf Abfindung0%0,4%7%13%
     
Bruttoverdienst im Abfindungsjahr    50.000,00 €    50.000,00 €    50.000,00 €    50.000,00 €
Steuern Abfindung    14.650,00 €    30.693,44 €    49.174,55 €    68.416,75 €
Steuern Bruttoverdienst       7.252,00 €       7.336,48 €       7.576,24 €       7.650,86 €
     
Netto    78.098,00 €  111.970,08 €  143.249,21 €  173.932,39 €
Differenz    28.098,00 €    12.330,08 €       3.349,21 €–     3.407,61 €
     
Steuerquote auf Bruttoverdienst44%75%93%107%
Steuerliche Auswirkung eines Bruttoverdienst von 50.000 € im Jahr der Abfindung für gemeinsam veranlagte nach dem Splittingtarif 2021

Wer es bei einer Abfindung von 200.000 € etwas ruhiger angehen lässt und „nur“ 50.000 € im selben Jahr verdient, zahlt für die geleistete Arbeit sogar noch ca. 3.400 € obendrauf!

So funktioniert die Fünftelregelung

Wie kann das sein? Dafür müssen wir die Wirkung der Fünftelregelung verstehen.

Stellen wir uns zwei Geldsäcke vor. Im ersten Geldsack ist die Abfindung und im zweiten Geldsack sind die zusätzlichen steuerwirksamen Einkünfte.

Hinweis: Das Zahlenbeispiel gilt für gemeinsam veranlagte.

Wir laufen mit diesen beiden Säcken brav zu unserem derzeitigen Finanzminister Christian Lindner und zeigen sie vor.

Bei der Fünftelregelung teilt Christian den ersten Geldsack in 5 kleine Säcke auf und besteuert jeweils nur die kleinen Säcke. Bei einer Abfindung von 100.000 €, enthält jeder dieser kleineren Geldsäcke jeweils 20.000 €. Auf diese 20.000 € zahlte ein Paar 2021 pro Geldsäckchen 72 € Steuern. Man zahlt also für eine Abfindung von 100.000 € so gut wie keine Steuern. Christian schaut etwas missmutig, aber so ist die Regel.

Das gilt aber nur, wenn der zweite Geldsack mit den zusätzlichen steuerwirksamen Einkünften leer ist! Ist der zweite Sack zum Beispiel mit den 50.000 € gefüllt, dann hellt sich Christians Miene dramatisch auf. Er schüttet nämlich den zweiten Geldsack zusätzlich auf die kleinen Geldsäcke. Und da ist Christian magisch, denn er macht das gleich 5 Mal. Damit erhöht er den Betrag in den 5 kleinen Geldsäcken von jeweils 20.000 € auf 70.000 €.

Jetzt sind nicht mehr 20.000 € die Basis für eine Besteuerung, sondern 70.000 €.

Jetzt kommt etwas, was man sich nur im Finanzministerium ausdenken kann. Christian besteuert jetzt fiktiv die 5 Säckchen mit 70.000 € und zieht jeweils die Steuer für das Säckchen mit 50.000 € ab. Das Ergebnis ist dann die Besteuerung der Abfindung nach der Fünftelregelung. Ich verzichte hier auf die Details und verweise bei Interesse auf diesen Artikel „Abfindung und die Fünftelregelung“.

Fakt ist, dass bei 100.000 € Abfindung und 50.000 € Zusatzverdienst statt 360 € plötzlich über 30.000 € Steuern auf die Abfindung anfallen.

Genau hier kann man ansetzen: Da sich der Zusatzverdienst bei der genaueren Betrachtung im Jahr der Abfindung nicht wirklich lohnt, kann es eine gute Idee sein, den zweiten Geldsack möglichst leer zu halten.

Sabatical oder Selbständigkeit?

Wie macht man das? Na, die einfachste Möglichkeit ist eine Auszeit im Jahr der Abfindung. Wer nichts verdient, füllt auch nicht das zweite Säckchen.

Die zweite Möglichkeit ist die Selbständigkeit.

Der Vorteil der Selbständigkeit ist, dass Einnahmen und Ausgaben steuerlich sofort verrechnet werden können. Kommen also Einnahmen in das zweite Säckchen, dann kann man es durch steuerwirksame Ausgaben wieder leeren.

Die einfachste Möglichkeit dies zu tun, ist den zweiten Geldsack in eine Kapitalgesellschaft wie z.B. eine GmbH oder UG zu verschieben. Wenn man sich im Jahr der Abfindung selbst kein Gehalt zahlt, dann wäre das eine vergleichsweise einfache Möglichkeit die Abfindung zu optimieren, indem zusätzliche Einnahmen in der Kapitalgesellschaft verschoben werden und damit nicht mehr der persönlichen Besteuerung unterliegen.

Aus verschiedensten Gründen kam dies bei mir nicht in Betracht. Ich entschied mich steuerlich für den Status des Freiberuflers. Das bedeutete aber auch, dass ich im Jahr der Abfindung keine Gewinne erwirtschaften durfte. Denn diese Gewinne würden zu der ungünstigen Besteuerung führen.

Wie kann man also dafür sorgen, dass keine Gewinne anfallen? Ganz einfach, durch Investitionen in das eigene Unternehmen.

Das war also mein Plan: Mit Unterstützung vom Finanzamt mein Unternehmen auf- und auszubauen. Dafür musste ich vereinfacht alle Einnahmen gleich wieder steuerlich wirksam investieren.

Die Unwägbarkeiten bei der Ausführung des Plans

Es ist gut einen Plan zu haben, viel wichtiger ist es aber sich flexibel auf mögliche Unwägbarkeiten einzustellen. Die Realität hat doch einige Überraschungen zu bieten.

Stakeholder ins Boot holen

Zunächst einmal mussten die „Stakeholder“ ins Boot geholt werden. Der wichtigste Stakeholder in diesem Projekt war meine Frau. Denn wer den zweiten Geldsack füllt, ist bei gemeinsam veranlagten egal und eine getrennte Veranlagung war in meiner Modelrechnung weniger attraktiv.

Noch ungünstiger für meinen Plan war ein Angestelltengehalt. Denn das ist ja quasi schon ein ausgezahlter Gewinn.

Daher habe ich mal vorsichtig angefragt: „Schatz, was hältst du davon, dein Angestelltenverhältnis nächstes Jahr mal für mindestens ein Jahr ruhen zu lassen oder dich alternativ selbständig zu machen?“.

„Klar, lass ihn mal reden“, musste sie gedacht haben. Doch irgendwann wurde ihr klar „Der meint das ernst“.

Ideen müssen reifen und irgendwann ließ sich meine Frau darauf ein. Da sie sich sowieso verändern wollte, kündigte sie Mitte 2020 zu Dezember 2020 ihren Job.

Steuerberater suchen

Der Plan musste noch von einem Steuerberater verifiziert werden. Die leidvolle Suche nach einem geeigneten Steuerberater habe ich in meinem Beitrag „Steuer-Rat: Meine Erlebnisse bei der Suche nach dem richtigen Steuerberater“ dokumentiert.

Anfang 2021 wurde dann die Abfindung ausgezahlt. Die Abfindung wird zunächst pauschal mit der ungünstigsten Steuerklasse 6 versteuert. Die Fünftelregelung wird erst 2022 mit der Steuererklärung für 2021 wirksam. Der Vorteil wird also immer erst im darauffolgenden Jahr mit der Steuererstattung ausgezahlt.

Erste große Herausforderung

Wie es der Zufall so will, bekam meine Frau im Laufe des Jahres 2021 ein sehr attraktives Jobangebot.

Die Option als Selbständige tätig zu werden, war leider nicht möglich. Daher hatte meine Frau plötzlich ein ungeplantes Angestelltengehalt und ich und mein Plan eine erste große Herausforderung.

Damit meine Frau steuertechnisch nicht für Umme arbeitet, musste ich das zusätzliche Angestelltengehalt in meinem Model kompensieren.

Liquiditätsplanung

Die Kompensation des Angestelltengehalts ist möglich, hat aber leider Auswirkung auf die Liquiditätsplanung. Wer z.B. 2021 50.000 € Brutto verdiente, bekam ca. 35.000 Netto ausgezahlt. Da im Abfindungsjahr aber kein Gewinn erwirtschaftet werden sollte, müssten vereinfacht gesagt 50.000 € investiert werden, um den Gewinn auf 0 zu drücken. In diesem Fall müssten also zusätzlich 15.000 € Liquidität aufgebracht werden, damit der Plan weiterhin funktioniert…

In unserem Fall war die notwendige Liquidität zum Glück vorhanden. Ich habe den Plan entsprechend angepasst und meine Frau konnte ihren Job antreten.

Steuererklärung schon im November ausfüllen

Damit mein Plan eine Punktlandung wird, habe ich bereits im November 2021 damit begonnen meine Steuererklärung für das Jahr 2021 auszufüllen. Damit konnte ich genau simulieren, welche Auswirkungen meine bisherige Umsetzung wirklich hatte. Außerdem konnte ich damit noch meine vollständig vom Staat finanzierte Einzahlung in die Rürup-Rente optimieren.

Ich nutzte dafür WISO-Steuer, da die Steuerberechnung in der Vergangenheit immer sehr nahe am Ergebnis war.

Mission erfüllt: Das Ergebnis

2021 folgte ich meinen Plan und investierte in meine Ausbildung zum Finanzcoach, gönnte mir selbst einen Coach, baute meine Unternehmen auf, zahlte aus steuerlichen Gründen in die Rürup-Rente ein und konnte mich 2022 über eine Steuererstattung im mittleren fünfstelligen Bereich freuen.

Insgesamt konnte ich damit, im Vergleich einer Angestelltentätigkeit, einen Vorteil von ca. 100.000 € und ein Jahr Zeit für den Aufbau meiner Unternehmen erzielen.

Wer die Fünftelregelung versteht und sinnvoll anwendet, kann also seine Selbständigkeit durch das Finanzamt finanzieren lassen.

Ganz wichtig ist aber dieses Konzept mit einem kompetenten Steuerberater durchzusprechen. Die Herausforderungen liegen hier im Detail und das Wissen um steuerwirksame Ausgaben ist für diesen Plan essenziell.

Ich konnte hiermit dieses spannende Projekt erfolgreich abschließen, doch die nächsten spannende Projekte laufen schon wieder. Zum Beispiel die mittlerweile erfolgte Gründung einer Holding, dokumentiert in meinem Beitrag „Schatz, wir müssen eine Holding gründen“ – Wann bei Familien eine vermögensverwaltende Gesellschaft sinnvoll sein kann.

Mein Name ist Andree de Boer. Seit mehr als 20 Jahren beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema Finanzen. In meinem Blog berichte ich über meine Erfahrungen.


Dabei ist mir über die Zeit aufgefallen, dass der Schlüssel zum Erfolg bei Geld und Finanzen nicht primär in irgendwelchen Finanzprodukten liegt.

Vielmehr sind es die eigene Einstellung und das Verhalten, die den Erfolg maßgeblich beeinflussen.

Deshalb konzentriere ich mich zunehmend auf das Thema Finanzcoaching, um Menschen in die Lage zu versetzen, produktunabhängig gute Finanzentscheidungen zu treffen.

Dazu habe ich eine professionelle Ausbildung zum FCM Finanzcoach absolviert.

Meine Dienstleistungen biete ich völlig produktunabhängig auf Honorarbasis an.

In meinem Blog berichte ich auch über eigene Erfahrungen mit konkreten Finanzprodukten. Dies stellt jedoch ausdrücklich keine individuelle Empfehlung dar.

Nimm mit mir Kontakt auf oder buche online ein kostenloses Erstgespräch. Wir finden heraus, wie ich Dir helfen kann.

Ein Gedanke zu „Wie ich durch die steuerliche Optimierung meiner Abfindung einen Vorteil von 100.000 € geschaffen habe

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