Mischt Vanguard mit seinem neuen Angebot den RoboAdvisor Markt auf?

Die Liga der RoboAdvisor hat ein neues Mitglied. Mit dem Angebot Vanguard Invest Anlageservice schickt sich Vanguard an, in dem hart umkämpften RoboAdvidor Markt mitzumischen. Was kann das neue Angebot?

Ein RoboAdvisor ist eine automatisierte Geldanlage. Der Anleger gibt bestimmte Rahmenbedingungen vor und der Robo legt dann vollständig automatisiert das Geld des Kunden an und kümmert sich, je nach Anlagestrategie, automatisiert um notwendige Anpassungen.

Es gibt grob zwei Arten von RoboAdvisor. Die Passiven und die Aktiven. Die passive Fraktion ermittelt auf Basis der individuellen Risikobereitschaft des Kunden das passende Portfolio. Anpassungen am Portfolio (sogenanntes Rebalancing) werden nur für die Erhaltung der initial gewählten Risikostruktur durchgeführt.

Die aktive Fraktion versucht mit speziellen Anlagestrategien den Markt zu schlagen. Ein Vertreter der aktiven Fraktion ist auch der größte RoboAdvisor in Deutschland: Scalable Capital. In meinem Beitrag  „Scalable Capital: Warum der größte RoboAdvisor Deutschlands im März so schlecht abschnitt und was das für die Zukunft bedeutet“ habe ich mich mit der Anlagestrategie von Scalable Capital detaillierter auseinandergesetzt.

Die Liga des außergewöhnlichen Robos

Es gibt eine ganze Menge RoboAdvisor in Deutschland. Der Echtgeldtest bei Brokervergleich.de zeigt immer wieder, dass ein Portfolio mit einem stinknormalen Welt-ETF quasi der FC Bayern im Robo-Cup ist. Alle RoboAdvisor haben sich hinten einzureihen.

Dabei gibt es zwei Strategien. Die passiven Robos versuchen einfach unspektakulär durch die Mitte Punkte zu erzielen. Die aktiven Robos drehen schöne Pirouetten und kommen von außen. Meistens ist es aber brotlose Kunst und in Summe erzielen sie dann doch weniger Punkte als die passive Konkurrenz.

Nun betritt also auch Vanguard mit seinem neuen Angebot die Spielfläche. Der Vanguard Robo gehört ins Lager der passiven Robos.

Schauen wir uns mal näher an, mit welcher Strategie und Taktik der Vanguard Robo agiert.

Vanguard entdeckt den Privatanleger

Bisher konnte man Vanguard-Produkte als Privatanleger nur über Dritte wie z.B. Online-Broker beziehen. Ein direktes Angebot für Endkunden gab es bisher nicht. Mit dem neuen Robo ändert sich das. Vanguard hat extra eine Banklizenz in Deutschland erworben und ist damit nicht auf Partnerbanken angewiesen. Vanguard bietet damit das ganze Spektrum der Geldanlage aus einer Hand.

Das neue Angebot ist jetzt integraler Bestandteil von Vanguard für private Anleger. Ruft man die Webseite von Vanguard auf, so steht das neue Angebot im Zentrum.

In drei Schritten zum Portfolio

Die Zusammenstellung des individuellen Portfolios ist in drei Schritten erledigt. Der Prozess startet mit dem Klick auf „Anlagevorschlag erstellen“ oder „Depot eröffnen“.

Schritt 1: Anlageziel, Anlagedauer und Betrag auswählen

Zunächst kann das Anlageziel ausgewählt werden. Es stehen vier Möglichkeiten zur Auswahl.

Im nächsten Schritt wird gefragt, wie lange man sein Geld anlegen möchte.

Dann kann noch der Betrag ausgewählt werden. Mindestanlage ist 5.000 €. Damit ist die Einstiegshürde schon deutlich höher als bei anderen Robos.

Optional kann bei den Anlagezielen Altersvorsorge, Immobilien und Kinder auch noch ein Zielbetrag angegeben werden. Dies soll bei der Empfehlung berücksichtigt werden.

Schritt 2: Risikoprofil ermitteln

Vanguard versucht jetzt mit sechs Szenarien, die individuelle Risikotoleranz des Anlegers zu ermitteln. Dieser Schritt ist wichtig, um ein Portfolio zusammenzustellen, welches auch emotional zum Anleger passt.

In der Folge werden sechs Szenarien vorgestellt, die alle nach demselben Muster ablaufen. Der Anleger muss die folgende Frage beantworten:

Im Laufe des nächsten Jahres bin ich bereit, für einen möglichen Ertrag von +XXX%   einen potentiellen Verlust von -YYY%   zu riskieren.

Die Prozentsätze (alternativ können auch Euro-Beiträge gewählt werden) ändern sie für jedes Szenario. Mit einem Schiebregler kann dann individuell eingestellt werden bei welchen Werten sich der Anleger noch wohl fühlt.

Nach Beantwortung der Fragen wird ein Risikoprofil vorgeschlagen. Es gibt die folgenden Profile:

  • Sicherheitsbetont (Aktienanteil 20%)
  • Konservativ (Aktienanteil 40%)
  • Ausgewogen (Aktienanteil 60%)
  • Renditeorientiert (Aktienanteil 80%)
  • Risikobereit (Aktienanteil 100%)

Je nach Beantwortung der Fragen aus den ersten Schritten wird ein Risikoprofil empfohlen. Die jeweils niedrigere oder höhere Einstufung kann ebenfalls ausgewählt werden. Profile, die mindestens zwei Stufen von der Empfehlung entfernt liegen, können nicht ausgewählt werden.

Hier ein Beispiel für ein risikobereites Portfolio.

Mit einem Klick auf „Mit diesem Risikoprofil fortfahren“ erhält der Anleger den konkreten Anlagevorschlag.

Bestimmte Parameter können auch noch nachträglich geändert werden.

Für mein exemplarisch ausgewähltes Risikoprofil „Renditeorientiert“ bekomme ich nun die folgende Anlageverteilung.

Die hier gezeigten Fonds sind keine klassischen ETFs, sondern Indexfonds. Der Unterschied ist hier lediglich, dass ETFs an der Börse gehandelt werden und Indexfonds direkt vom Anbieter, hier also Vanguard, ausgegeben werden. Inhaltlich unterscheiden sich Indexfonds nicht von ETFs.

Was bietet mir der neue Vanguard Robo für einen Mehrwert

Tja, hier kommen wir auch schon zum Kernpunkt. Wer z.B. den ETF Vanguard Lifestrategy 80 in sein Depot legt, hat mehr oder weniger dieselben Wertpapiere in seinem Portfolio und das ganz ohne RoboAdvisor.

Ok, der Robo von Vanguard bietet noch ein kleines Schmankerl. Es besteht die Möglichkeit die Risikostruktur über die Zeit zu reduzieren. So kann der Anteil der weniger schwankungsintensiven Wertpapiere zum Beispiel zum Ruhestand hin sukzessive reduziert werden.

Gut, das ist ein schönes Feature. Doch was kostet mich dieser Service?

Die Kosten

Die Kosten setzen sich aus der All-In-Servicegebühr von 0,65% und den durchschnittlichen Fondsgebühren von 0,15% zusammen. Pro 100.000 € Anlagesumme kommen wir hier laut Vanguard auf 836 € pro Jahr.

Spätestens jetzt überwiegt die Enttäuschung über das neue Angebot. Jährliche Kosten von 0,8% sind nicht günstig. Der berühmte Vanguard-Effekt wird für den Robo-Markt damit nicht eintreten. Der Anbieter Weltsparen bietet mit dem ETF-Robo ein ähnliches Produkt und ist mit 0,48% günstiger.

Fazit

Vanguard betritt mit einem neuen Produkt den Markt und revolutioniert diesen? Diesmal leider nicht. Zumindest in der jetzigen Form bietet der RoboAdvisor von Vanguard kein Alleinstellungsmerkmal.

Die Anlagestrategie kann bereits heute sehr einfach mit der bestehenden Produktwelt von Vanguard umgesetzt werden. Details dazu habe ich in meinem Beitrag „Meine Empfehlung: Das minimal funktionsfähige Portfolio mit Vanguard ETFs realisieren“ erläutert.

Die Möglichkeit der schrittweisen Risikoreduzierung rechtfertig meiner Meinung nach nicht die Mehrkosten von mehr als 0,5% pro Jahr.

Vielleicht schraubt Vanguard noch an seinem Angebot. Es soll demnächst auch die Möglichkeit geben, sein Portfolio selbst manuell zusammenzustellen. Doch auch diese Möglichkeit bietet Weltsparen mit seinem ETF Configurator bereits heute.

Wer Wert darauf legt, dass alles aus der Hand von Vanguard kommt, für den könnte das Angebot attraktiv sein. Wer auf das Thema Kosten schaut, kann sich besser direkt den Vanguard FTSE All-World oder Vanguard Lifestrategy ins Depot legen.

Mein Name ist Andree de Boer. Seit mehr als 20 Jahren beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema Finanzen. In meinem Blog berichte ich über meine Erfahrungen.


Dabei ist mir über die Zeit aufgefallen, dass der Schlüssel zum Erfolg bei Geld und Finanzen nicht primär in irgendwelchen Finanzprodukten liegt.

Vielmehr sind es die eigene Einstellung und das Verhalten, die den Erfolg maßgeblich beeinflussen.

Deshalb konzentriere ich mich zunehmend auf das Thema Finanzcoaching, um Menschen in die Lage zu versetzen, produktunabhängig gute Finanzentscheidungen zu treffen.

Dazu habe ich eine professionelle Ausbildung zum FCM Finanzcoach absolviert.

Meine Dienstleistungen biete ich völlig produktunabhängig auf Honorarbasis an.

In meinem Blog berichte ich auch über eigene Erfahrungen mit konkreten Finanzprodukten. Dies stellt jedoch ausdrücklich keine individuelle Empfehlung dar.

Nimm mit mir Kontakt auf oder buche online ein kostenloses Erstgespräch. Wir finden heraus, wie ich Dir helfen kann.

5 Gedanken zu „Mischt Vanguard mit seinem neuen Angebot den RoboAdvisor Markt auf?

  1. Thank you for sharing this article. I don’t speak German, but I translate your articles into English, and I find them very informative. I have been waiting for Vanguard to come up with their new offers for a long time now. I’m looking for a cheaper robo-advisor than the one I currently have (Visualvest at 0.6%), and I found Weltsparen. I thought Vanguard would offer a more affordable offer than Weltsparen, but I’m surprised and disappointed to see such a high cost for a passive robo-advisor. I assume they take advantage of the reliability of their name to justify such costs but I think I’ll choose to invest in Vanguard through Weltsparen. I’m also considering the Weltsparen pension offer to take advantage of the tax deductions as much as possible and the lower cost compared with other popular Rürup pensions.

    Übersetzt:
    Vielen Dank für das Teilen dieses Artikels. Ich spreche kein Deutsch, aber ich übersetze Ihre Artikel ins Englische und finde sie sehr informativ. Ich warte schon lange darauf, dass Vanguard ihre neuen Angebote präsentiert. Ich suche einen günstigeren Robo-Advisor als meinen jetzigen (Visualvest zu 0,6 %) und bin auf Weltsparen gestoßen. Ich dachte, Vanguard würde ein günstigeres Angebot als Weltsparen anbieten, aber ich bin überrascht und enttäuscht, so hohe Kosten für einen passiven Robo-Advisor zu sehen. Ich gehe davon aus, dass sie die Zuverlässigkeit ihres Namens ausnutzen, um solche Kosten zu rechtfertigen, aber ich denke, ich werde mich dafür entscheiden, über Weltsparen in Vanguard zu investieren. Ich ziehe auch das Angebot der Weltsparen-Rente in Betracht, um die steuerlichen Vorteile und die geringeren Kosten im Vergleich zu anderen beliebten Rürup-Renten so weit wie möglich zu nutzen.

    1. Hi Demetris,

      thanks for your comment.

      the question is: Why do you need a robo-advisor at all? In my opinion the raw ETF-products like Vanguard FTSE All World / Vanguard ESG Global All Cap (100% stocks) or the Vanguard LifeStrategy (20%, 40%, 60%, 80% Stocks) will already do. Personally, i don’t see any advantages of a robo compared to a simple well diversified portfolio preferable with just 1 ETF. See my article: My recommendation: Realize the minimum functional portfolio with Vanguard ETFs.

      For the Rürup pension you can check my article: My experience with the ETF-Rürup pension from Raisin Pension

      Regards
      Andree

      Übersetzung:

      Hallo Demetris,

      danke für deinen Kommentar.

      die Frage ist: Warum braucht man überhaupt einen Robo-Advisor? Meiner Meinung nach reichen die einfachen ETF-Produkte wie Vanguard FTSE All World / Vanguard ESG Global All Cap (100% Aktien) oder der Vanguard LifeStrategy (20%, 40%, 60%, 80% Aktien) bereits aus. Persönlich sehe ich keine Vorteile eines Robos im Vergleich zu einem einfachen, gut diversifizierten Portfolio, am besten mit nur einem ETF. Siehe meinen Artikel: Meine Empfehlung: Das minimal funktionsfähige Portfolio mit Vanguard ETFs realisieren.

      Für die Rürup-Rente siehe meinen Artikel: Meine Erfahrungen mit der ETF-Rürup Rente von Raisin Pension

      Viele Grüße
      Andree

      1. I’m considering a robo-advisor for 2 primary reasons:

        1) Reallocation process
        2) Tax responsibilities

        I imagine that these two things are complicated although I’m not well informed how they work in case I decide to do this myself. Do you have any article explaining how exactly to deal with these?

        Thank you for your response, I appreciate it.

        Übersetzung:
        Ich erwäge einen Robo-Advisor aus zwei Hauptgründen:

        1) Umverteilungsprozess
        2) Steuerpflichten

        Ich stelle mir vor, dass diese beiden Dinge kompliziert sind, obwohl ich nicht gut darüber informiert bin, wie sie funktionieren, falls ich mich entscheide, dies selbst zu tun. Haben Sie einen Artikel, der erklärt, wie man genau damit umgeht?

        Vielen Dank für Ihre Antwort, ich weiß das zu schätzen.

        1. Hi Demetris,

          regarding 1) Reallocation process: If you follow the 1-ETF strategy, the reallocation happens automatically on ETF level. If there is more than 1 ETF in the portfolio, rebalancing has to happen. I wrote an article about it: https://www.finwohl.de/2020/06/10/mit-neugewichtung-rebalancing-risiko-reduzieren-ohne-auf-rendite-zu-verzichten/

          Regarding 2) Tax responsibilities: For the 1-ETF strategy, the tax treatment does not differ. For multiple ETFs, the robo can potentially simplify the tax handling.

          Regards
          Andree

          Übersetzung:

          Hallo Demetris,

          zu 1) Reallokationsprozess: Wenn du die 1-ETF-Strategie verfolgst, erfolgt die Reallokation automatisch auf ETF-Ebene. Wenn mehr als 1 ETF im Portfolio sind, muss ein Rebalancing stattfinden. Ich habe einen Artikel darüber geschrieben: https://www.finwohl.de/2020/06/10/mit-neugewichtung-rebalancing-risiko-reduzieren-ohne-auf-rendite-zu-verzichten/

          Zu 2) Steuerliche Pflichten: Bei der 1-ETF-Strategie gibt es keine Unterschiede in der steuerlichen Behandlung. Bei mehreren ETFs kann der Robo die steuerliche Behandlung möglicherweise vereinfachen.

          Mit freundlichen Grüßen
          Andree

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