Ich schätze, dass 95% der Privatanleger nicht das für sie passende Anlageprodukt haben. Denn das konkrete Produkt ist in Wahrheit weniger relevant als der persönliche Anlagebedarf.
Warum das so ist, erläutere ich am Beispiel eines Freizeitparks.
Was haben Geldanlagen und Freizeitparks gemeinsam
Schon seit meiner Kindheit bin ich von Freizeitparks fasziniert. Vor allem Achterbahnen ziehen mich magisch an.
Als Kind sind meine Oma und Opa häufig mit meinem Cousin und mir in den Heidepark gefahren. Dort sind wir endlos mit Big Loop gefahren, während Oma und Opa durch den Heidepark spaziert sind.
Mit meinen Kindern favorisiere ich den Hansa Park. Günstig am Meer gelegen bietet sich auch ein längerer Aufenthalt mit Strandurlaub an.
Als Achterbahnfan habe ich meine Kinder auch ermutigt Achterbahnen auszuprobieren. (Bei meiner Frau war die Ermutigung weniger von Erfolg gekrönt. Ich hätte vielleicht nicht gleich mit Colossos aus dem Heide Park anfangen sollen.)
Mein Sohn hat schon früh für seine Verhältnisse Risikobereitschaft gezeigt. Mit skeptischem Blick, aber festem Willen, bezwang er die Kinderachterbahn Rasender Roland (heute Royal Scotsman).
Als er 1 Jahr später wieder vor der Wahl stand, ob er fährt, schlug die Risikowahrnehmung zu. Er konnte sein Umfeld bewusster wahrnehmen und entschied sich zunächst dagegen.
Seine ältere Schwester, die bereits die Loopingbahn Nessie zu ihrem Lieblingsobjekt auserkoren hat, sorgte dann indirekt dafür, dass der Rasende Roland doch eine Chance bei ihm bekam.
Mit viel Respekt stellten wir uns an. Mein Sohn klammerte sich enger als sonst an mich, ihm war die Sache nicht ganz geheuer. Als die Fahrt schließlich vorbei war, hat sich seine Risikowahrnehmung wieder eingenordet und es folgte eine Serie des beliebten „Nochmal!“.
Natürlich machen wir uns als Eltern bei unseren Kindern immer wieder die Gedanken, ob ein Fahrgeschäft passend für das jeweilige Kind ist.
Man kennt seine Kinder und weiß im Allgemeinen wie sie auf bestimmte Dinge reagieren. Meine Tochter z.B. fährt gerne Nessie. Doch der dunkle Tunnel am Ende der Fahrt ist nicht ihr Lieblingsabschnitt.
Hier kommt die Risikotragfähigkeit ins Spiel. Eine Fahrt mit der Achterbahn „Fluch(t) von Novgorod“ würde ich unter diesen Umständen bisher nur eingeschränkt empfehlen.
Möglicherweise wäre der Tag gelaufen und das Thema Achterbahn für die nächste Zeit ad acta gelegt
Meine Frau kann ein Lied davon singen. Nach der Fahrt mit „Fluch(t) von Novgorod“ war sie auf jeden Fall bedient und hatte aufgrund von leichten Beinschwächen Schwierigkeiten aus dem Labyrinth zu entkommen. Ich schwöre: Sie hat das freiwillig gemacht!
Zuallerletzt ist es auch wichtig den Risikobedarf der Kinder zu kennen. Auch wenn Mama es sehr gerne macht, wir können nicht den ganzen Tag mit dem Hansa-Park-Express fahren. Das würde die Kinder (und mich) auf Dauer langweilen.
Ein bisschen Thrill braucht es, um einen schönen Tag im Freizeitpark zu verbringen.
Ähnlich wie im Freizeitpark sind auch bei der Auswahl der Geldanlage die vier Risikofaktoren Risikobereitschaft, Risikowahrnehmung, Risikotragfähigkeit und Risikobedarf entscheidend.
Passen Anlageprodukte wie der ARERO für alle?
Stell dir vor, du gehst mit deinen Verwandten oder Bekannten in den Freizeitpark. In den seltensten Fällen werdet ihr alle gemeinsam dieselben Fahrgeschäfte fahren. Jeder hat seine persönlichen Favoriten, je nach den individuellen Risikofaktoren.
Dasselbe gilt für deine Geldanlage. Es gibt eine ganze Reihe von vorgefertigten Geldanlageprodukten, die allerdings nicht unbedingt zu deinen individuellen Risikofaktoren passen.
Schauen wir uns dafür als Beispiel das generell empfehlenswerte Geldanlageprodukt ARERO an.
Der ARERO ist mit 0,5% jährlichen Gebühren noch im vertretbaren Rahmen. Die Anlage ist breit gestreut und basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Also, alles gut, oder? Doch passt dieses Produkt für alle Anleger in jeder Lebenslage?
Schauen wir uns an was in der Geldanlage steckt. ARERO steht für Aktien, REnten und ROhstoffe. Die Aufteilung ist fest und beträgt 60% Aktien, 25% Renten (Staatsanleihen) und 15% Rohstoffe.
Die Aktien sind der chancenorientierte Anteil und die Rente der risikoarme Anteil.
Die Rohstoffe, tja da scheiden sich die Geister. Sie sind so zwischen Aktien und Renten angesiedelt. Leider haben sie über die letzten Jahre nicht so viel beigetragen und sind daher bei vielen Anlegern aktuell nicht so beliebt.
In der klassischen Aufteilung liegt der ARERO über dem groben Daumen bei ca. 70/30. Also 70% chancenorientierter Anteil und 30% risikoarmer Anteil.
Ein schneller Vergleich mit der Vanguard LifeStrategy 60 (Aufteilung 60/40) und Vanguard LifeStrategy 80 (Aufteilung 80/20) bestätigen den groben Daumen.
Mit dem ARERO legt sich der Anleger also auf eine Aufteilung 70/30 fest.
Das ist so auf der Ebene von „Fluch(t) von Novgorod“. Schon schöner Thrill, aber es könnte auch noch mehr geben. Auf der anderen Seite vielleicht nichts für meine Frau, denn da kann es möglicherweise in heißen Börsenphasen wackelige Beine geben…
Die richtige Geldanlage richtet sich nach den individuellen Risikofaktoren
Übertragen wir das Beispiel wieder auf unseren Freizeitpark.
Ein festes Anlageprodukt für alle ist etwa so als ob ich mit meiner Familie in den Six Flags Magic Mountain gehe. Ein ganzer Park voller Achterbahnen, den ich schonmal genießen durfte. Mir macht das Auf und Ab der Achterbahn oder an der Börse nicht so viel aus.
Für mich ein Traum, für meine Familie vielleicht weniger…
Jeder hat so seine individuellen Bedürfnisse. Ich favorisiere Fluch(t) von Novgorod, mein Sohn Rasender Roland, meine Tochter Nessie und meine Frau den Hansa Park Express.
Warum also bei der Geldanlage nur eine Version von der Stange erwerben, wenn es doch möglich und sinnvoll ist sie maßgeschneidert zu erhalten.
Die Auswahl der Geldanlage in der Praxis
Stellen wir uns die Zwillinge Sabine und Franz vor. Sabine ist Beamtin und Franz ist Selbständiger. Beide sind verheiratet und haben zwei Kinder.
Sabine hat durch ihren Beamtenstatus eine höhere Risikotragfähigkeit als Franz als Selbständiger. Sabine muss also potenziell weniger Puffer zurücklegen als Franz, da die zukünftigen Einnahmen sicherer sind.
Stellen wir uns vor, Sabine hat ihre Risikobereitschaft mit FinaMetrica ermittelt und kommt auf einen Wert von 40 von 100. Franz kommt auf einen Wert von 80.
Für Sabine wäre der ARERO (entspricht 70) nicht geeignet, da er gemessen an der Risikobereitschaft zu sehr schwankt. Für Franz hingegen ist er schon besser geeignet, es könnte aber auch noch ein Tick mehr Risiko sein.
Legen beide denselben Anlagebetrag an, dann ist der Risikobedarf bei Franz höher, da er keine Pension erhält und im konkreten Fall selbst für den Ruhestand vorsorgen muss. Franz könnte sich also entscheiden mehr Risiko zu einzugehen als der ARERO, um seine Vorsorge sicherzustellen.
Er könnte sich z.B. stattdessen für Vanguard Lifestrategy 80 mit 80% Aktienanteil entscheiden. Eventuell ist sein Risikobedarf aber auch noch höher und er entscheidet sich nach Abwägung zwischen persönlichem Risikobedarf und Risikobereitschaft für Vanguard FTSE All-World mit 100% Aktienanteil.
So findest du deine passende Geldanlage
Aber wie findest du die passende Geldanlage?
Zunächst solltest du deine individuelle Risikobereitschaft ermitteln. Als grobe Daumenregel kannst du dir überlegen wie viel dein Vermögen an den schwankenden Börsen einbrechen kann, ohne dass du in Versuchung kommst dich von den Aktien abzuwenden.
Den ermittelten Wert verdoppelst du und hast dann deinen Aktienanteil. Beispiel: Du kannst 30% Einbruch deines Portfolios ertragen. Damit wäre dein Aktienanteil 60% und der risikoarme Anteil (Tagesgeld, sichere Staatsanleihen) bei 40%.
Wissenschaftlich fundiert geht das mit FinaMetrica. Ich habe zwei Blogbeiträge dazu geschrieben. Für nur 79€ kannst du deine persönliche Risikobereitschaft ermitteln und als Basis für deine Anlageentscheidungen nutzen.
Ein besonderes Thema ist die Risikowahrnehmung. Denkst du beim Wort Aktie an die Telekom oder Wirecard, dann führt die Risikowahrnehmung eventuell dazu, dass du falsche Vorstellungen vom Aktienmarkt hast. In diesem Fall kann ein Finanzcoaching sinnvoll sein. Warum Finanzcoaching etwas anderes ist als Finanzberatung habe ich in meinem Blogartikel „Der Unterschied zwischen Finanzcoach und Finanzberater“ erläutert.
Mit Kenntnis der individuellen Risikobereitschaft sind grundsätzlich bereits die Voraussetzungen gegeben, um ein für dich passendes Portfolio zusammenzustellen. Allerdings ist damit deine individuelle Lebenssituation nicht berücksichtigt.
Hier kommen die Faktoren Risikotragfähigkeit und Risikobedarf ins Spiel.
Die Risikotragfähigkeit bestimmt wieviel du anlegen kannst, ohne existentielle Schwierigkeiten zu bekommen oder zu einem ungünstigen Zeitpunkt an dein Portfolio musst.
Der Risikobedarf bestimmt wie viel du anlegen musst, um deine finanziellen Ziele zu erreichen.
Ein persönlicher Finanzplan berücksichtigt alle Faktoren und stellt ein für dich auf deine individuelle Lebenssituation passendes Portfolio zusammen.
Ich biete die Erstellung eines persönlichen Finanzplans an.
Trete mit mir in Kontakt oder melde dich zu einem unverbindlichen Erstgespräch an.
Beitragsbild Hansapark
Mein Name ist Andree de Boer. Seit mehr als 20 Jahren beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema Finanzen. In meinem Blog berichte ich über meine Erfahrungen.
Dabei ist mir über die Zeit aufgefallen, dass der Schlüssel zum Erfolg bei Geld und Finanzen nicht primär in irgendwelchen Finanzprodukten liegt.
Vielmehr sind es die eigene Einstellung und das Verhalten, die den Erfolg maßgeblich beeinflussen.
Deshalb konzentriere ich mich zunehmend auf das Thema Finanzcoaching, um Menschen in die Lage zu versetzen, produktunabhängig gute Finanzentscheidungen zu treffen.
Dazu habe ich eine professionelle Ausbildung zum FCM Finanzcoach absolviert.
Meine Dienstleistungen biete ich völlig produktunabhängig auf Honorarbasis an.
In meinem Blog berichte ich auch über eigene Erfahrungen mit konkreten Finanzprodukten. Dies stellt jedoch ausdrücklich keine individuelle Empfehlung dar.
Nimm mit mir Kontakt auf oder buche online ein kostenloses Erstgespräch. Wir finden heraus, wie ich Dir helfen kann.
6 Gedanken zu „So findest du deine passende Geldanlage – oder was ARERO und Co mit der Achterbahn Nessie zu tun haben“
Was denkst Du über eine Anlage in den norwegischen Fonds Skagen Global?
Normalerweise erzielen gute Fonds nur temporär Überrenditen aber hier wurden über 24 Jahre durchschnittlich 15% p.a. erzielt, also langjährig das Doppelte dessen was man durch passive Anlagen maximal erwarten kann und dies bei niederer Volatilität als beispielsweise der MSCI World Index?
https://www.skagenfondene.no/fond/skagen-global-a/
Moin @Hans:
https://www.fondsweb.com/ch/vergleichen/ansicht/isins/NO0008004009,IE00B0M62Q58
Soo, verschieden ist die Rendite nicht. (Die Rendite nur in NOK kann hoeher sein auf der Norwegischen Webseite, nuetzt dir aber als EUR-Konsument nix! IMMER die Rendite in EUR anschauen/vergleichen).
Skagen A ist zZ uebergewichtet in Nordamerika (>80%) und in Technologie (>35%). Daher die historische Ueberrendite zum MSCI World?
Wenn man die Gewichte korrekt in eine Benchmark uebernehmen wuerde, in der entsprechend mehr Nasdaq-ETF und S&P500-ETF zu einem MSCI-World-ETF dazu gemischt werden wuerde, wuerde man den SkagenA leicht mit passiven Anlagen schlagen … (wegen der geringeren Kosten der ETFs).
Man muss aber wissen, was man tut, naemlich: Wette auf „es gibt kein Jahrhundert-Erdbeben 2021-2050 in Californien“.
Diese Wette (v.a. USA und Technologie) waere mir pers. zu heiss …
LG Joerg
Hallo Joerg ich finde diese Übergewichtung in Ordnung vor dem Hintergrund daß es dem Fondsmanagement gelingt seit über 20 Jahre in die jeweiligen internationalen Gewinnerbranchen zu investieren – zudem mit geringeren Rückgängen in Krisen als marktbreite Indizes so daß hier – beispielsweise im Gegensatz zum MSCI World – die 00er Jahre keine „verlorene Dekade“ war.
Nach der Forschung von Prof. Hendrik Bessembinder ist der Aktienmarkt so strukturiert daß eine kleine Anzahl von Superaktien das langjährige Kurswachstum der Märkte auf sich vereint. Ein großer Teil dieser Superaktien waren in den letzten drei Dekaden Technologiewerte, siehe hierzu die verlinkte Seite.
Der Nasdaq 100 kommt seit 1997 auf eine durchschnittliche Rendite um 10% p.a. und hatte zudem heftige Rückgänge bzw. Drawdowns in den letzten beiden großen Baissen ab 2000 sowie 2008 zu verkraften.
Also existiert hier schon so etwas wie eine besondere Fähigkeit der Fondsmanagements die zu einer langjährigen Überrendite führt bei einer zudem niederen Volatilität als marktbreite Indizes.
@Hans,
vielleicht habe ich mich schlecht ausgedrueckt:
Um den Skagen Global A mit passiven ETFs zu schlagen, haettest du nur zB 20% Nasdaq100 ETF und 80% MSCI WORLD nehmen brauchen. Dann waerst du auf eine aehnliche Gewichtung von 80% USA und 35% Technologie gekommen. Klick doch bitte diesen Vergleich an und studiere ihn von oben bis unten, dann wird es vielleicht klarer?
https://www.fondsweb.com/ch/vergleichen/ansicht/isins/NO0008004009,IE0032077012,IE00B0M62Q58
Natuerlich darfst du in den Skagen Global A anlegen. Allemal besser als so viel andere Anlagen! Die Zukunft kennt keiner. Vielleicht ist es jetzt (im Hinblick auf die naechsten 10 Jahre) gerade eben nicht optimal in 20% Nasdaq100 und 80% MSCI World – wie Skagen World A – zu investieren)?
Deine Fragen bisher zeigen, dass du nicht ganz sicher bist mit der Materie und da bleibt dann nur „anderen vertrauen“. Ich hatte nur geantwortet, weil du gefragt hast, was „wir“ davon halten …
LG Joerg
Hallo Joerg, ich bedanke mich für Deine fachkundige Antwort mit dem Link. Irgendwie reden wir aneinander vorbei. Vergleichbar wir Warren Buffett bei Berkshire Hathaway hat das Management des Skagen Global A in der Anfangszeit eine Überrendite erzielt wovon die annualisierte Rendite heute noch zehrt obwohl beide während der letzten 10 Jahre nur noch ähnlich rentieren wie der MSCI World Index.
Freundliche Grüße,
Hans
Moin Hans,
auch hier habe ich nicht die Garantie, dass dieser Fonds auch in Zukunft gut abschneidet. Statistisch wirst du immer Fonds finden, die den Welt-Index schlagen. Das sagt aber nichts über die Zukunft aus und ist schon gar keine Garantie.
Mit dem Welt-Index habe ich auf jeden Fall die Aktienrendite. Die Mehrzahl der aktiven Fonds wird schlechter abschneiden und ein paar wenige ähnlich oder besser . Leider weiß ich heute nicht welche das sein werden…
Gruß
Andre