Ausschütter oder Wiederanleger? Dividendenzahlungen sind zwar schön, aber nicht immer wirtschaftlich

Ausschütter oder Wiederanleger? Wer sich einen ETF oder Fonds zulegt, steht oft zunächst vor dieser Frage. Bei den Ausschüttern werden Dividendenerträge direkt an den Anleger ausgeschüttet. Bei dem Wiederanleger (Thesaurierend) werden Dividenden sofort wieder angelegt.

Neben der Bequemlichkeit bei der Wiederanlage, gibt es aber auch wirtschaftliche Gründe einen Wiederanleger zu bevorzugen. Dieser Artikel erläutert die positive Wirkung der Steuerstundung bei den Wiederanlegern.

Dieser Artikel beleuchtet ausschließlich den Vorteil der Steuerstundung, berücksichtigt aber nicht den Einfluss von Transaktionskosten, Pauschbeträgen und Vorabpauschalen auf die individuelle Rendite.

Besteuerung von Dividenden

Stellen wir uns, vor einem Unternehmen wäre eine Badewanne. Die Liquidität des Unternehmens ist das eingefüllte Wasser. Am Start markieren wir den Stand des Wassers. Jetzt gibt es den Zufluss und den Abfluss. Der Zufluss symbolisiert die Einnahmen und der Abfluss die Ausgaben.

Wirtschaftet das Unternehmen gut, dann steigt das Wasser in der Wanne. Die Einnahmen (Zufluss) sind also höher als die Ausgaben (Abfluss). Wirtschaftet das Unternehmen weniger gut, dann sinkt das Wasser. Die Ausgaben sind höher als die Einnahmen. Ist die Wanne leer, dann ist das Unternehmen insolvent.

Nach einem Zeitraum ziehen wir Bilanz, Zufluss und Abfluss werden kurz abgedreht. Wir gehen in unserem Beispiel von einem wirtschaftlichen Unternehmen aus. Der Wasserstand hat sich über den Zeitraum erhöht.

Wir schöpfen jetzt mit einem großen blauen Eimer alles Wasser oberhalb der Markierung ab. Das Wasser im blauen Eimer ist der Unternehmensgewinn.

Unser Finanzminister Olaf Scholz hat noch zwei weitere Eimer bereitgestellt. Einen roten Eimer für die Besteuerung auf Unternehmensebene und einen gelben Eimer für die Besteuerung auf privater Ebene.

Aus dem blauen Eimer wird jetzt 30% des Wassers in den roten Eimer geschüttet. Der rote Eimer hat die Beschriftung Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer.

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten. Der Inhalt des blauen Eimers mit 70% des Gewinns wird wieder in die große Wanne geschüttet und die Markierung erhöht sich um das zusätzliche Wasser. In diesem Fall bleibt der Gewinn im Unternehmen und wird nicht als Dividende ausgeschüttet.

Im zweiten Fall wird der Gewinn an die Anteilseigner (im Falle einer Aktiengesellschaft an die Aktionäre) ausgeschüttet. Hier steht dann Olaf mit dem gelben Eimer bereit und möchte von den 70% im blauen Eimer noch einmal 25% abzwacken. Soli und Kirchensteuer berücksichtigen wir zur Vereinfachung in diesem Beispiel nicht.

Am Ende haben wir im blauen Eimer dann noch gut die Hälfte des ursprünglichen Unternehmensgewinns. Ab hier lässt uns Olaf dann bezogen auf den Inhalt des blauen Eimers in Ruhe.

Steuerliche Behandlung von Ausschüttern und Wiederanlegern

Der zweite Fall beschreibt eine klassische Ausschüttung von Dividenden. Möchte ich die Dividende wiederanlegen (thesaurieren), dann erhöhe ich technisch gesprochen das Volumen der Badewanne, um die 70% des Gewinns.

Hier muss man sich noch einmal den Unterschied zur ersten Möglichkeit vergegenwärtigen. Ich schütte das Wasser nicht einfach wieder in die Wanne (zusätzliche Liquidität), sondern erwerbe einen Teil des Anspruches von einem anderen Badewannenbesitzer desselben Unternehmens (zusätzliche Anteile). Im Gegensatz zur ersten Möglichkeit erhöhe ich damit die Liquidität des Unternehmens nicht.

Hier ist Olaf nachtragend. Es sind ihm zwar Einnahmen aus dem gelben Eimer entgangen, aber er hat Geduld. Irgendwann wirst du für dich etwas ausschöpfen wollen und dann steht Olaf (oder sein Nachfolger) wieder mit dem gelben Eimer vor der Tür…

Nach so viel Theorie mal ein konkretes Beispiel:

Ich kaufe für 1.000 € eine Aktie. Kurz nach dem Kauf ist Dividendenausschüttung. Das Unternehmen hat 10% Gewinn gemacht und möchte den gesamten Gewinn ausschütten. Von den 100 € Gewinn pro Aktie gehen zunächst 30 € an Olaf & Konsorten.

Die Fraktion der Ausschütter erhält rund 50 € ausgezahlt. Die Wiederanleger bekommen neue Anteile im Wert von 70 €. Wir ignorieren hier mal aus Gründen der Einfachheit geflissentlich den Fakt, dass eine steuerfreie Wiederanlage von Dividenden praktisch nur auf Ebenen von Fonds und ETFs und nicht direkt auf Aktien möglich ist.

Da der Wert der Aktie sich nach einer Ausschüttung um den ausschüttenden Anteil reduziert, steht der Wiederanleger wieder mit 1.000 € Anteilen da.

Der Ausschütter hat nun Anteile im reduzierten Wert von 930 € und etwa 50 € „Cash in the Täsch“. Wer jetzt sofort wieder verkauft hat nicht unbedingt das Geschäft seines Lebens gemacht.

Wie wir den Steuerstundungseffekt ausnutzen können

Stellen wir uns zwei Familien vor: Die Familie Ausschütter und die Familie Wiederanleger. In beiden Familien gibt es Geschwister, die in exakt dasselbe Portfolio investieren, aber eine unterschiedliche Strategie bei der Wiederanlage und der Ausschüttung verfolgen.

Familie Wiederanleger

Bei der Familie Wiederanleger gibt es Theresa, die die Strategie der Thesausierung (also direkte Wiederanlage ohne Umweg über das Verrechnungskonto) bevorzugt. Ihr Bruder Reiner bevorzugt es die Dividende regelmäßig auf sein Verrechnungskonto gebucht zu bekommen, möchte die Dividende aber direkt wieder in sein Portfolio reinvestieren.

Beide haben denselben ETF in ihrem Portfolio. Theresa investiert in die thesaurierende und Reiner in die ausschüttende Variante. Nehmen wir an, sie investieren initial jeweils 1.000 €. Nach 10 Jahren verdoppelt sich das Portfolio und es wird eine einmalige Dividende von 10% ausgezahlt. Nach weiteren 10 Jahren verdoppelt sich das Portfolio erneut und beide ziehen Bilanz.

TheresaTheresa (A)Theresa (B)ReinerReiner (A)Reiner (B)
Einstand    1.000,00 €       900,00 €       100,00 €    1.000,00 €       900,00 €       100,00 €
10 Jahre    2.000,00 €    1.800,00 €       200,00 €    1.950,00 €    1.800,00 €       150,00 €
20 Jahre    4.000,00 €    3.600,00 €       400,00 €    3.900,00 €    3.600,00 €       300,00 €
Steuern       750,00 €       675,00 €          75,00 €       712,50 €       675,00 €          37,50 €
Endwert    3.250,00 €    2.925,00 €       325,00 €    3.187,50 €    2.925,00 €       262,50 €

Theresas Portfolio hat nach 20 Jahren einen Gesamtwert von 3.250 € nach Steuern. Das Portfolio von Reiner steht bei 3.187,50 €.

Um zu verstehen, warum das so ist, unterteilen wir beide Portfolios gedanklich in zwei Teile: Teil A und Teil B. Der Anteil in Teil A entspricht 90% des Portfolios und entwickelt sich bei beiden gleich. Teil B entspricht 10% des Portfolios und bei Theresa werden die 10% Dividende (200 €) direkt wieder angelegt und können weiterarbeiten. Bei Reiner werden zunächst 50 € Steuern fällig und der Restbetrag von 150 € wird direkt wieder angelegt. Theresa profitiert hier vom Steuerstundungseffekt, da die abgeführte Steuer bei Reiner in der Folgezeit keine Rendite mehr erwirtschaften kann.

Familie Ausschüttung

Familie Ausschüttung möchte nach 10 Jahren Geld aus dem Portfolio entnehmen und für andere schöne Sachen nutzen. Didi realisiert dies über die normale Dividendenzahlung und auch Anton lässt sich denselben Betrag auszahlen. Allerdings realisiert Anton das nicht über die Dividenden, sondern durch einen Verkauf entsprechender Anteile.

Die Bilanz nach 20 Jahren sieht wie folgt aus

DidiDidi (a)Didi (B)AntonAnton (A)Anton (B)
Einstand    1.000,00 €       900,00 €       100,00 €    1.000,00 €       900,00 €       100,00 €
10 Jahre    1.800,00 €    1.800,00 €                –   €    1.828,57 €    1.800,00 €          28,57 €
20 Jahre    3.600,00 €    3.600,00 €                –   €    3.657,14 €    3.600,00 €          57,14 €
Steuern       675,00 €       675,00 €                –   €       685,71 €       675,00 €          10,71 €
Endwert    2.925,00 €    2.925,00 €                –   €    2.971,43 €    2.925,00 €          46,43 €

Beide bekommen nach 10 Jahren eine Auszahlung von 150 €. Da Anton aber Anteile verkauft, muss er nicht auf die volle Entnahme Steuern zahlen, sondern nur auf den bis dahin angelaufenen Gewinn. Damit verbleibt ein kleiner Betrag im Teil B, der nun weiter für Anton arbeiten kann.

Fazit

Als Daumenregel gilt, dass Wiederanleger bei sonst gleichen Umständen einen positiven Effekt auf Steuern haben, da die Steuer erst zum späteren Zeitpunkt anfällt.

Sollen trotzdem regelmäßig Erträge entnommen werden, so ist das durch die Veräußerung von Anteilen günstiger als durch Dividendenzahlungen. Dividenden werden zum Auszahlungszeitpunkt stets vollständig besteuert, während bei der Veräußerung von Anteilen nur der Gewinnanteil besteuert wird.

Das Auszahlungen durch Veräußerung oder Dividenden ökonomisch das gleiche sind, hat Gerd Kommer in diesem Blogartikel erläutert.

Auch wenn sie ökonomisch gleich sind, werden sie steuerlich unterschiedlich gehandhabt. Hier ergibt sich für jeden Handlungsspielraum, wenn Aspekte wie Transaktionskosten, Pauschbeträge und Vorabpauschalen individuell berücksichtigt werden.

Beitragsbild von PixxlTeufel auf Pixabay

Weitere Informationen zum Thema

Gerd Kommer: Ausschüttende vs. thesaurierende Fonds

Mein Name ist Andree de Boer. Seit mehr als 20 Jahren beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema Finanzen. In meinem Blog berichte ich über meine Erfahrungen.


Dabei ist mir über die Zeit aufgefallen, dass der Schlüssel zum Erfolg bei Geld und Finanzen nicht primär in irgendwelchen Finanzprodukten liegt.

Vielmehr sind es die eigene Einstellung und das Verhalten, die den Erfolg maßgeblich beeinflussen.

Deshalb konzentriere ich mich zunehmend auf das Thema Finanzcoaching, um Menschen in die Lage zu versetzen, produktunabhängig gute Finanzentscheidungen zu treffen.

Dazu habe ich eine professionelle Ausbildung zum FCM Finanzcoach absolviert.

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In meinem Blog berichte ich auch über eigene Erfahrungen mit konkreten Finanzprodukten. Dies stellt jedoch ausdrücklich keine individuelle Empfehlung dar.

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