Im meinem Beitrag „Passives Risikomanagement: Nutze deinen Vorteil als Privatanleger“ habe ich Diversifikation, Zeit und Vermögensverteilung (Asset Allocation) beleuchtet.
Über die Vermögensverteilung können die drei Faktoren Risikotragfähigkeit, Risikobedarf und Risikotoleranz gesteuert werden. In diesem Beitrag erläutere ich wie eine Vermögensverteilung anhand dieser drei Faktoren ermittelt werden kann. Am Ende wird dir eine konkrete Berechnungsvorlage zur Aufteilung in einen risikoarmen (Risikoklasse RK1) und einen risikobehafteten (Risikoklasse RK3) Sparanteil zum selbst erstellen und als Excel-Download zur Verfügung gestellt.

Erläuterung zur Ermittlung der Prozentwerte folgen im Beitrag.
Während der Corona-Krise konnte beobachtet werden, dass viele vormals passive Buy & Hold Anleger ihre Wertpapiere veräußert haben. Im Wesentlichen kann es nur zwei Gründe geben, warum eine ungeplante Veräußerung für einen passiven Buy & Hold Anleger notwendig war:
- Fehlende Risikotragfähigkeit: Der Anleger brauchte kurzfristig Geld, um z.B. weggebrochene Einnahmequellen zu kompensieren.
- Fehlende Risikotoleranz: Der Anleger hat es mit der Angst zu tun bekommen und dadurch seine Wertpapiere veräußert.
Risikotragfähigkeit
Wie wir wissen ist ein wichtiger Faktor beim passiven Risikomanagement die Zeit. Eine fehlende Risikotragfähigkeit kann dazu führen, dass genau dieser Faktor seine Wirkung verliert.
Um die Risikotragfähigkeit zu ermitteln, sollte sich jeder individuell überlegen, welche existentiellen Risiken eintreten könnten, die eine vorzeitige Veräußerung von risikobehafteten Wertpapieren notwendig machen würden.
Ein offensichtliches existenzielles Risiko besteht bei Einnahmeausfällen. Bei Ausfall oder Reduzierung der Haupteinnahmequelle, etwa durch Jobverlust, Kurzarbeit oder Umsatzausfall bei Selbstständigen, sollten die ersten Monate durch Rücklagen überbrückbar sein.
Auch für Risiken wie größere Reparaturen oder Ersatz für Dinge des täglichen Bedarfs oder erwerbsnotwendige Dinge (z.B. ein Auto) sollten Rücklagen vorhanden sein.
Die Risiken sind dabei individuell zu betrachten. So hat ein Beamter sicherlich ein deutlich geringeres Risiko bzgl. Einnahmeausfällen als etwa ein Freiberufler, der gerade sein Business aufbaut.
Als Daumengröße würde ich das 6fache der Ausgaben abzüglich der – falls vohanden – flexiblen Sparquote ansetzen. Bei einer Sparquote von 20% müssten also 6 * 80% = 4,6fache von den regelmäßigen Einnahmen als Rücklage vorhanden sein. Damit würde beim Eintritt des Risikos Einnahmeausfall 6 Monate Zeit bleiben, um die Einnahmesituation wieder zu verbessern.
Die Risikotragfähigkeit drücken wir als Prozentwert zwischen 0% (keine Risikotragfähigkeit) bis 100% (maximale Risikotragfähigkeit) aus. Die Berechnung erläutere ich im Abschnitt „Berechnung der Indikatoren“.
Risikotoleranz
Jeder aktiv investierte Anleger kann den kürzlich erlebten Börseneinbruch dazu nutzen, um den Zeitraum vom 24.2. bis Mitte März noch mal Revue passieren lassen und sich selbst zu fragen wie gut oder schlecht man sich während der Zeit bezogen auf seine risikobehafteten Wertpapiere gefühlt hat.
Sofern eine große Verunsicherung zu spüren war oder sogar Wertpapiere aus Verunsicherung veräußert wurden, deutet das auf eine geringe Risikotoleranz hin. Mit zwischenzeitlichen Einbrüchen bis zu 50% oder mehr muss über einen langen Anlegerzeitraum schlichtweg gerechnet werden.
Auch die Risikotoleranz ist eine sehr individuelle Größe. Sie kann aber auch durch sozialen (z.B. Partner oder Umfeld) und medialen Druck beeinflusst werden. Die Wissenschaft dahinter wird in der Verhaltensökonomie (Behavioral Finance) beschrieben und sagt im Kern aus, dass wir Menschen bei der Geldanlage irrational handeln.
Der Indikator Risikotoleranz kann daher auch nicht berechnet, sondern muss individuell abgeschätzt werden.
Auch hier drücken wir den Indikator mit einem Prozentsatz zwischen 0% (keine Risikotoleranz – das Sparbuch) bis 100% (maximale Risikotoleranz – voll in Aktien investiert) aus. Ein Wert von 40% sagt z.B. aus, dass 40% in den risikobehafteten Anteil fließen und 60% in den risikoarmen Anteil. Bei einem Rückgang von 50% an den Märkten würde das Gesamtportfolio des Anlegers damit nur 20% nachgeben.
Risikobedarf
Jeder sollte sich beim Investieren überlegen, welches Ziel eigentlich verfolgt wird. Möchte ich mein Vermögen einfach sichern, möchte ich mit meinem Vermögen die maximale Rendite erwirtschaften oder soll am Ende ein bestimmter Betrag erreicht werden.
Der Indikator Risikobedarf gibt an wieviel Risiko notwendig ist, um das Ziel zu erreichen. Bei 0% Risikobedarf würde das Ziel bereits durch einfaches Sparen in risikoarmen Anlagen erreicht werden. Bei 60% Risikobedarf müssten 60% in risikobehaftete Wertpapiere investiert werden, um das Investitionsziel zu erreichen.
Anders als bei den anderen Indikatoren ist auch eine Wert über 100% möglich. Die Aussage eines solchen Wertes ist, dass das Investitionsziel mit der erwarteten Rendite der risikobehafteten Anlage nicht erreicht werden kann.
Berechnung der Indikatoren
Die folgende Abbildung zeigt die Berechnungsvorschrift für einen Sparplan und der initialen Aufteilung der Sparrate in Excel. Die Datei kann [hier] heruntergeladen werden. Wer ungerne Excel-Dateien aus fremden Quellen lädt, der kann durch die Visualisierung der Formeln selbst leicht in Excel (oder einen andere beliebige Tabellenkalkulation) eine eigene Version erstellen.

Hier eine kurze Erläuterung der Berechnungen:
Der notwendige Betrag für die risikobehaftete Anlage (B13) gibt an, welcher Betrag investiert werden muss, damit der Zielbetrag erreicht wird. Dabei wird in diesem Beispiel berechnet welche monatl. Sparrate notwendig ist, um bei einer Rendite von 5% (B5) nach 240 Monaten (B4) den Zielbetrag von 150.000 € (B2) zu erwirtschaften.
Die Risikotragfähigkeit (B17) wird ermittelt indem berechnet wird welcher Anteil des Sparbetrags für den Aufbau der Risikorücklage notwendig ist. In diesem Beispiel multiplizieren wir die monatlichen Ausgaben 3.000 € (B6) mit der Anzahl Monate 6 (B8) und ziehen davon die bestehende Risikorücklage 10.000 € (B7) ab. Das Ergebnis teilen wir durch 36 (B9). Jetzt haben wie die monatliche Rate, die notwendig ist um die Risikotragfähikeit in 36 Monaten zu erreichen. Diesen Betrag setzen wir ins Verhältnis zur monatl. Sparrate 600 € (B3) und ziehen den Prozentwert von 100% ab.
Der notwendige Betrag für die risikobehaftete Anlage (B13) und der notwendige Betrag für die risikoarme Anlage (B14) beschreiben die notwendigen Zahlungen, um die jeweiligen Ziele zu erreichen. Die Summe kann über oder unter der monatlichen Sparrate (B3) liegen.
Die Risikotoleranz (B18) muss individuell geschätzt werden. Sie beschreibt den maximal emotional aushaltbaren Anteil in risikobehaftete Anlagen.
Der risikobehaftete Anteil (B21) ist das Minimum der Indikatoren Risikobedarf, Risikotragfähigkeit und Risikotoleranz.
Bei den Endbeträgen der Risikorücklage (B25) und des Endbetrags (B26) wird mit einem Häkchen oder einem Kreuz angezeigt, ob das jeweilige Ziel mit den entsprechenden Eingabedaten erreicht wird.
Zuletzt wird die Zielerreichung (B27) auf Basis der Gesamtsumme von Risikorücklage und Zielbetrag errechnet.
Über die Eingabeparameter können jetzt verschiedene Szenarien simuliert werden.
Die Simulation ist darauf ausgelegt den risikobehafteten Anteil (RK3) so gering wie möglich zu halten und gleichzeitig das Investitionsziel zu erreichen.
Die Simulation enthält kein Rebalancing. Das führt dazu, dass in unserem Beispiel am Ende der 20 Jahre der Endbetrag in RK3 einen Anteil von 89% (F86) hat. Auch wenn sich die Risikotragfähigkeit über die Zeit verbessert, passt in unserem Fall die individuelle Risikotoleranz nicht mehr zum Portfolio.
Fazit
Durch Abgleich der Indikatoren Risikotragfähigkeit, Risikobedarf und Risikotoleranz kann eine individuell zugeschnittene Vermögensverteilung in einen risikoarmen (RK1) und einen risikobehafteten (RK3) Anteil bestimmt werden.
Der Minimalwert der drei Indikatoren bestimmt dabei den Anteil in risikobehafteten Anlagen.
Um die Risikostruktur zu erhalten, ist eine regelmäßiges Neuverteilung (Rebalaning) nötig. Im nächsten Beitrag werde ich mögliche Strategien für das Rebalancing erläutern.
Nutze das 100k-Konzept, um prognosefrei, kostengünstig und aufwandsarm in einen risikoarmen und einen risikobehafteten Anteil zu investieren. Mit meinem Finanzcoaching kann ich dir bei Bedarf helfen die individuelle Aufteilung zu ermitteln.
Weitere Informationen zum Thema
Risikosimulator von Prof. Dr. Martin Weber (ARERO)
Der Finanzwesir zum Thema Risikotoleranz
2 Gedanken zu „Passives Risikomanagement: So kannst du die richtige Aufteilung in den risikoarmen und risikobehafteten Anteil ermitteln (Asset Allocation, RK1, RK3)“
Schoener Blog-Post, Andree,
eine schoene Aufteilung von Risiko in Tragfaehigkeit (Liquiditaet), Toleranz (Angst) und Bedarf (Rendite).
Schoen strukturiert und klar, wuerde mich ja echt interessieren, ob es vielen Anlegern eine Hilfe ist (also, ist es menschlich/natuerlich, so vorzugehen)?
Was meinst Du, koennte das noch erweitert werden?
– zB Kredit kann Liqui und Rendite beeinflussen (vgl „Rat“ als junger Mensch eher 1,2-1,3x Aktien zu halten (also mit Hebel), vgl Lebenszyklus-Modell)?
– Liqui aus Kredit-/Wuerdigkeit/Faehigkeit schoepfen statt aus Asset-Verkauf?
– Bei der Toleranz koennte gezielte Einuebung von Risiken zu einer Veraenderung im Verhalten fuehren (vgl Flugangst, Spinnenphobie, Snowboardfahren-Lernen)?
Letzter Einbruch:
„… Corona-Krise konnte beobachtet werden, dass viele vormals passive Buy&Hold Anleger … Wertpapiere veraeussert haben“
Da wuerden mich Quellen interessieren. Bedenke, private kleine Anleger-Fische bewegen keine Maerkte!
Mir sind v.a. Instis(Squeeze), Vermoegensverwalter(customer driven), Robos(Scalable), Riester-Vertrags-Partner(Sutor) als Verkaeufer aufgefallen (v.a. risk-budget driven)?!
Egal, alles was hilft, die „Pferde zum Saufen“ zu kriegen ist gut! Erstmal Anfangen, dann Schulung unterwegs (bei Koliken den Bauch massieren ;-))
LG Joerg
Moin Joerg,
danke für deinen Kommmentar.
Nein, ich denke es ist nicht menschlich / natürlich so vorzugehen. Ich glaube aber, dass eine strukturierte und bewusste Auseinandersetzung mit seinen Finanzen und seinen Anlagezielen einen erheblichen Mehrwert liefert. Mein Ziel ist es daher auch solche Aspekte möglichst leichtverdaulich zu präsentieren. Ich denke die Überlegungen gehören zu einem Gesamtkonzept. Mein Erwartung ist nicht, dass dies jetzt jeder Anleger genau so umsetzt. Es geht mir hier auch um die Sensibilisierung für dieses Thema.
Ja, ich denke das kann noch erweitert werden. Deine genannten Punkte gehören ebenfalls zu einem gesamtheitlichen Finanzkonzept.
Die Zielgruppe des Artikel sind auch eher die privaten Anleger. Die wenigsten professionellen Anbietern dürften ein passives Risikomanagement haben und der Faktor fehlende Zeit ist das Problem. So hat mich die Reaktion von Sutor (Fairrriester) auch sehr gewundert. Durch das aktive Risikomanagement wurden – meines Erachtens unnötigerweise auch für junge Riestersparer – alle Riester-Depots umgeschichtet. Das Problem ist hier die Beitragsgarantie. Ein risikoaffinen Privatanleger, der noch 20 Jahre Zeit hat sollte mit den ein oder anderen Einbruch der Börsen rechnen und dabei ruhig schlafen können.
Die Reaktion der Privatanleger habe ich aus diversen Foren und Diskussiongruppen abgeleitet. Die Stimmungen waren hier während des Einbruchs doch sehr angespannt und die Verkäufe wurden zumindest in den Foren angekündigt. Dass die privaten Anleger keine Märkte bewegen ist mir bewusst.
Gruß
Andree