VUCA: Finanzen managen in einer volatilen, unsicheren, komplexen und mehrdeutigen Welt

Die meisten haben wahrscheinlich auch das Gefühl, dass die Welt um uns herum immer schneller wird. Den Satz „So langsam wie heute wird es nie wieder“ mag der ein oder andere sicher schon gehört haben. Die Themen Digitalisierung und Unternehmenstransformation haben mich in den letzten Jahren stark beschäftigt. Um als Unternehmen auch in der Zukunft Erfolg zu haben, muss es sich bewegen und – noch viel wichtiger – beweglich bleiben. Der Begriff VUCA wird verwendet, um die Herausforderungen vor denen Unternehmen heute stehen zu beschreiben.

Bei VUCA handelt es sich um ein Akronym, welches die Unberechenbarkeit und Schnelllebigkeit der modernen Welt ausdrücken soll. Es steht für die englischen Begriffe Volatility (Volatilität), Uncertainty (Unsicherheit), Complexty (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit).

Der Begriff entstand in den 1990er Jahren am United States Army War College (USAWC) und sollte die unklare Situation nach dem Ende des Kalten Kriegs beschreiben. Über die Zeit wurde diese Beschreibung auch zunehmend von Organisationen im Bildungsbereich und in der Wirtschaft aufgegriffen.

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Die VUCA-Welt im Finanzbereich

In diesem Beitrag möchte ich auf die VUCA-Welt im Finanzbereich eingehen.

Ist die Finanzwelt unsicherer geworden?

Starten wir mit der Unsicherheit. Ist die Finanzwelt unsicherer geworden? In der Wahrnehmung vieler mag das zutreffen. Die Wahrnehmung könnte sich aber durch die unmittelbare Verfügbarkeit, die schiere Masse, die Schnelllebigkeit und der Widersprüchlichkeit von Informationen ergeben.

Es gibt eben auch die These, dass die Finanzwelt insgesamt sicherer geworden ist. Im langfristigen Trend sind zum Beispiel die Zinsen schon seit Jahrhunderten rückläufig (siehe Studie von Paul Schmelzing), was auf mehr Sicherheit hindeutet, da der Zins eine Prämie für Unsicherheit (Risiko) ist. Es gibt die Theorie, dass das bestehende Wirtschaftssystem mit jeder Krise robuster wird, auch wenn – oder gerade weil – jede Krise nie der vorherigen gleicht.

Ich wage daher mal die These, dass die Finanzwelt analog zur allgemeinen Situation in der Welt insgesamt sicherer geworden ist.

Die Komplexität erhöht sich

Laut dem Cynefin-Model ist die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung in komplexen Systemen nicht im Vorhinein ermittelbar, sondern kann bestenfalls nur im Nachhinein beobachtet werden. Das ist bei komplizierten Systemen wie zum Beispiel bei einem Flugzeug anders. Die Experten kennen hier – glücklicherweise – die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung, auch wenn sie für den Laien nicht offensichtlich ist.

Bei komplexen Systemen gibt es eine große Zahl von Einflussgrößen, die wiederum Auswirkung auf andere Einflussgrößen haben. Es ergibt sich daraus eine Kombinatorik, die auch von Experten nicht überblickt werden kann. Die Aktienmärkte sind ein komplexes System. Und die Einflussgrößen haben deutlich zugenommen. Schon allein, weil es viel mehr und schneller verfügbare Informationen sowie Algorithmen gibt, die auf die Märkte wirken.

Hier wage ich also die These, dass die Finanzwelt komplexer geworden ist.

Eindeutig Mehrdeutig

Die Mehrdeutigkeit möchte ich an den folgenden zwei Bildern erläutern:

Quelle: www.fondsweb.de

Wir sehen die Entwicklung des Brot- und Butter Welt-Indizes FTSE All World und den möglicherweise bekannten Dirk Müller Fonds seit Anfang des Jahres. Die Sache ist eindeutig: Der Dirk Müller Fonds scheint überhaupt nichts von der Coronakrise mitbekommen zu haben und schnitt deutlich besser ab als der Weltindex.

Schauen wir auf das zweite Bild:

Quelle: www.fondsweb.de

Hier sieht die Sache etwas anders aus. Der Weltindex entwickelte sich über einen langen Zeitraum deutlich besser, hat aber zum Teil auch extreme Schwankungen.

Dieses Beispiel zeigt wie durch unterschiedliche Darstellung von Informationen sich wiedersprechende Nachrichten übermittelt werden können. Dies passiert heute tausendfach und verstärkt sich durch die schiere Maße der Informationen immer weiter.

Schaut euch auf Youtube die eher kritischen Zeitgenossen wie Friedrich & Weik, Max Otte, Dirk Müller an und danach die Zeitgenossen mit einer eher positiven Grundhaltung wie Gerd Kommer, Andreas Beck oder Martin Weber. Sie argumentieren alle schlüssig, kommen aber zu unterschiedlichen Interpretationen. Dies ist sicherlich kein Phänomen der neuen Welt. Durch das Internet und den sozialen Medien ist die Gegenposition aber nur einen Klick entfernt. Dies führt im Positiven zu einem breiteren Meinungsbild, unterstreicht aber im Negativen die Mehrdeutigkeit und kann einen Laien schnell verunsichern.

Schwankungen sind das Ergebnis von Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit

Die Schwankungen (Volatilität) an den Wertpapiermärkten zeigen tagtäglich den Einfluss der drei Faktoren. Sie sind das Maß des Risikos, welches an den Finanzmärkten herrscht.

Schauen wir uns mal anhand des Volatilitätsindex VIX an, wie sich die Schwankung in den letzten 30 Jahren entwickelt hat.

Der Volatilitätsindex VIX (S&P500)
Quelle: www.finanzen.net)

Er bewegt sich tendenziell zwischen 10 (geringere Schwankungen) und 20 (höhere Schwankungen). In Krisenphasen gibt es Spitzen bis auf 80 (extrem hohe Schwankungen). Die Dotcom-Krise hat in den Nullerjahren die Spitzen nicht erreicht, dafür hat es über den Zeitraum von mehreren Jahren überdurchschnittliche Schwankungen gegeben.

Wenn nun die Rahmenbedingungen – so meine These – für die Unternehmenswelt insgesamt sicherer werden und die Schwankungen das Maß für das Risiko sind, dann müssten die Schwankungen tendenziell geringer werden. Dem Gegenüber steht aber eine steigende Komplexität und damit einhergehend zunehmende Mehrdeutigkeit.

Der technische Fortschritt führt zu mehr Schnelligkeit und Komplexität, gleichzeitig wird unser Wirtschaftssystem mit jeder Krise robuster und sicherer. Beide Faktoren wirken umgekehrt auf das Mehr an Sicherheit und führen möglicherweise dazu, dass sich die Schwankungen in den letzten 30 Jahren in ruhigen Phasen auf ein tendenziell gleichbleibendem Niveau hielten.

Strategie zum Umgang mit der Unberechenbarkeit

Wenn wir nun die Schnelllebigkeit und die Unberechenbarkeit akzeptieren, dann stellt sich die Frage wie wir damit umgehen?

Auch hier liefert das Akronym VUCA Begriffe, die einen möglichen Umgang mit der Situation beschreiben: Vision, Understanding (Verstehen), Clarity (Klarheit) und Agility (Beweglichkeit)

Eine Vision gibt dem Tun einen Sinn

Eine Vision ist die gedankliche Vorwegnahme eines gewünschten Zustands.

Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.

Antoine de Saint-Exupéry

Neben den allgemeinen Lebenszielen bietet sich daher auch an, seine finanziellen Ziele konkret aufzuschreiben.

Die meisten Ratgeberbücher, die sich im engeren oder weiteren Sinne mit Zielerreichung beschäftigen, fordern das Aufschreiben der Ziele mit Stift und Papier. Sinn und Zweck dieser Übung ist, sein Unterbewusstsein auf ein Ziel zu „programmieren“. Durch das Aufschreiben und Visualisieren wird das Ziel greifbar und konkret. Dein Unterbewusstsein – so die Theorie – wird dich unterstützen auf dieses Ziel hinzuarbeiten.

Jeder sollte eine Vision entwickeln. Dafür braucht es keinen Finanzexperten. Es handelt sich hierbei eher um qualitative Aspekte. Beispiele für eine Vision können sein:

  • Ich habe im Ruhestand genug Geldmittel
  • Ich bin mit 50 Jahren finanziell frei
  • Ich erlange finanzielles Wohlbefinden

Aus den qualitativen Aspekten werden dann (evtl. unter Einbeziehung eines Experten) konkrete Ziele ermittelt:

Beispiele für konkrete Ziele sind:

  • Ich brauche 200.000 €, um im Ruhestand genug Geldmittel zu haben
  • Ich brauche eine Sparquote von 50%, um mit 50 Jahren finanziell frei zu sein
  • Ich habe Transparenz über meine finanzielle Situation und meinem Vermögen, meine Ein- und Ausgabesituation ist solide, es bestehen Risikorücklagen, ich betreibe strategischen Vermögensaufbau und ich werde mein Lebensstil auch im Ruhestand erhalten

Verstehen fördert Akzeptanz

Akzeptanz kann nur erfolgen, wenn die Dinge verstanden werden. Menschen, die ihre finanzielle Situation oder angebotene Produkte nicht verstehen, werden nicht hinter den Entscheidungen stehen, die sie oder ein Dritter für sie tätigen. Viele delegieren nicht nur ihre finanziellen Angelegenheiten, sondern auch die Entscheidungen die damit einhergehen.

Unter den erfahrenen Anlegern gilt die Regel: Investiere in nichts, was du nicht verstehst.

Die unerfahrenen Anleger investieren in der Mehrzahl der Fälle leider in Dinge, die sie nicht verstehen. Das ist noch nicht mal unbedingt das Versäumnis der unerfahrenen Anleger. Der Dschungel von komplizierten Finanzprodukten macht es dem unerfahrenen und/oder uninteressierten Anleger fast unmöglich zu verstehen.

Daher ist das A und O eines Finanzkonzepts die Einfachheit und die Verständlichkeit.

Klarheit sorgt für Eindeutigkeit

Verstehen alleine reicht nicht aus. Es muss auch Klarheit herrschen. Klarheit wird durch einfache Alltagssprache, konsistenten Informationen und Eindeutigkeit begünstigt.

Dazu gehört auch Mehrdeutigkeiten möglichst aufzulösen. Durch regelmäßige Kommunikation werden Unklarheiten offensichtlich und können ausgeräumt werden.                                                                                   

Beweglichkeit (Agilität) in einer schnelllebigen und unberechenbaren Welt

Ja, dieser Begriff Agilität wird geradezu inflationär genutzt und scheint die Lösung für all unsere Probleme zu sein. Agilität ist wie Schach spielen. Es reicht nicht allein die Regeln zu kennen, um es umzusetzen. Es ist vielmehr eine Einstellung, eine Haltung.

Agilität ist die Fähigkeit sich auf ständig ändernde Rahmenbedingungen einzustellen. Die Fähigkeit Unschärfe zuzulassen, Dinge auszuprobieren, Fehler zu machen, aus ihnen zu lernen und durch Feedbackschleifen Dinge zu verändern.

Agilität legt den Focus nicht auf einen Plan, sondern auf das Ziel. Der Plan ist nur Mittel zum Zweck und wird wann immer nötig angepasst, sobald neue Informationen vorhanden sind.

In der „neuen Welt“ werden die Erfolg haben, die sich am besten an den Veränderungen anpassen können

Wir halten fest: Die Entwicklung in der (Finanz-)Welt wird durch den technischen Fortschritt immer rasanter. Sie wird aber nicht unbedingt unsicherer. Wir sind allerdings durch die Geschwindigkeit der Entwicklung gewollt oder ungewollt gezwungen häufiger und schneller Entscheidungen zu treffen. Dies kann durch äußere Umstände bedingt sein, aber auch durch sozialen Druck.

Allgemeine Konzepte wie Agilität, New Work, die Sinnhaftigkeit des Tuns adressieren eine sich schnell verändernde, zunehmend komplexere und scheinbar unberechenbarere Welt.

Allen ist gemein, dass das Ziel / die Vision bekannt ist, der richtige Weg sich aber über die Zeit ergibt.

Für das finanzielle Wohlbefinden bietet sich daher ein individuelles Finanzkonzept an, welches kontinuierlich weiterentwickelt wird.

Ein gutes Finanzkonzept hat eine Vision, konkrete Ziele, besteht aus Erfahrungen, Annahmen und Prognosen. Es wird nie genau so eintreten wie es ursprünglich ausgearbeitet wird. Es wird sich aber schrittweise und kontinuierlich verbessern und den Zielen annähern. Es fließen neue Erfahrungen hinein, Annahmen werden bestätigt oder revidiert, Prognosen überarbeitet. Es behält immer die Vision im Blick, ändert aber bei Bedarf den Weg um sie zu erreichen.

Starte von dort aus wo du stehst. Starte nicht mit einem detaillierten Plan, sondern kenne deine Ziele und starte genau dort wo du stehst. Auch wenn du glaubst du hast die Voraussetzungen noch nicht. Starte nicht erst, wenn alle Voraussetzungen gegeben sind, sondern starte sofort.

Du möchtest finanzielles Wohlbefinden erlangen? Vielleicht ist mein Finanzcoaching etwas für dich.

Weitere Informationen zum Thema

Objectives and Key Results (OKRs) – Methodik für Zielereichung in agilen Kontexten.

Living in a VUCA World – The core problems for investors
VUCA – Dealing with market uncertainty and volatility

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